Seelenrächer
noch?« Maggs wich dem Blick seines Kontrahenten nicht aus. Aus seinen Augen sprach eine fast beängstigende Bösartigkeit. »Wir sehen uns«, sagte er.
»Nicht, wenn ich dich als Erster sehe.«
Jimmy sah ihn an dem Abend tatsächlich noch einmal. Er war ins John B.’s gegangen und stand gerade draußen hinter der Kneipe, um in Ruhe eine zu rauchen, als Maggs seine betrunkene Freundin herausbugsierte und mit einem Glas eisgekühltem Magners in der Hand auf einer Bank platzierte.
»Na, du Made, hatte ich nicht recht?«, zischte Jimmy aus einer dunklen Ecke. »Ich habe dir doch gesagt, dass sie eine Hexe ist, genau wie deine Mam, bloß dass diese hier noch mehr Zähne hat.«
Kurze Zeit später verließ Jimmy die Bar, überquerte die Straße und steuerte auf den ramponierten alten Land Rover zu, den er neben dem Laden an der Ecke geparkt hatte. Als er ihn anlassen wollte, soff das verdammte Ding ab, so dass er eine Weile warten musste, ehe er es erneut versuchen konnte. Er blieb im Wagen sitzen und rauchte in der Zwischenzeit eine weitere Zigarette. Fünf Minuten später sah er ein Mädchen mit langen Haaren und lächerlich hohen Schuhen aus Richtung Stadtplatz daherstöckeln. Im gleichen Moment überquerte Maggs die Straße. Das Mädchen stieß mit ihm zusammen, taumelte ein paar Schritte rückwärts und ließ sich dann auf ein Fensterbrett plumpsen.
Dienstag 2. September, 10:25 Uhr
Jane konnte sagen, was sie wollte, Maggs wurde sein ungutes Gefühl einfach nicht los. Immer wieder trieb es ihn auf den Balkon hinaus. Er wartete regelrecht darauf, dass die Polizei auftauchen würde.
Und sie tauchte tatsächlich auf.
Das Motorengeräusch eines Wagens, der aus der Richmond Street einbog, ließ ihn erschrocken zusammenfahren. Er beobachtete, wie das Fahrzeug die kleine Gasse entlangzuckelte und unten vor dem Haus hielt. Jane kam nun ebenfalls aus der Wohnung und spähte über das Geländer. Maggs, der den Blick nicht von dem Wagen abwenden konnte, tastete nach ihrer Hand und drückte sie fest.
»Keine Sorge, Liebster«, sagte sie zu ihm, »ich bin an deiner Seite. Niemand wird dir wehtun. Niemand wird dir auch nur ein Haar krümmen, das verspreche ich dir.«
Unter ihnen stieg auf der Beifahrerseite eine junge Frau aus. Gleich darauf wurde die Fahrertür aufgestoßen, und eine kräftig gebaute, breitschultrige Gestalt im grauen Anzug kam zum Vorschein. Für einen Moment stand der Mann mit dem Rücken zum Balkon. Seine Jacke war offen, so dass man das Lederhalfter an seiner Hüfte sehen konnte.
Dann drehte er sich um und blickte nach oben.
Maggs war kreidebleich geworden. Krampfhaft umklammerte er Janes Hand. Einen Moment später gab es für ihn kein Halten mehr: Er stolperte ein paar Schritte rückwärts und stürmte dann in die Wohnung. Nachdem er die Balkontür hinter sich zugezogen hatte, drückte er sich an die Wohnzimmerwand und hatte einen erschreckenden Moment lang das Gefühl, sich wieder in der Polizeizelle zu befinden, wo die Tür offen stand und draußen auf dem Gang Schritte zu hören waren.
Mit angezogenen Knien kauerte er auf der schmalen Pritsche. Seit dem Spätnachmittag war er der einzige Insasse. Nun wusste er auch, warum: Molly hatte ihn verraten. Die Polizei hatte sie in die Mangel genommen, und am Ende hatte sie ihnen wohl gestanden, dass sie viel zu betrunken gewesen war, um überhaupt sagen zu können, ob er bei ihr gewesen war oder nicht. So sah es aus: Molly hatte ihm sein Alibi genommen, und nun wollten sie ein Geständnis von ihm.
Er hörte schwere Schritte über einen Steinboden hallen. Vor seiner Zelle verstummten die Schritte. Dann herrschte Stille – eine so beklemmende Stille, dass sie sich wie ein starker Druck auf seine Ohren legte. Für einen Moment kam es ihm vor, als wäre er schlagartig taub geworden. Dann sah er eine Hand, die in einem Handschuh steckte, die Tür aufschieben: Sergeant Doyle, der ihn schon seit seiner Kindheit verfolgte. Neben dessen massiger Gestalt fühlte Maggs sich wie ein Zwerg. In der einen Hand hielt Doyle einen Block und einen Kugelschreiber, in der anderen ein Exemplar des Dubliner Telefonbuchs.
Maggs starrte ihn an. Fast konnte er das Adrenalin riechen, das wie eine Droge seine Wirkung entfaltete.
Er versuchte, den Blick abzuwenden und die Anwesenheit des anderen Mannes einfach zu ignorieren, doch Doyle stand mittlerweile da wie ein Boxer, der – wenn auch kaum wahrnehmbar – ständig das Gewicht von einem Bein auf das andere
Weitere Kostenlose Bücher