Seelenrächer
sich doch mal um!« Jimmy deutete auf das Fenster, durch das weite Felder, das Mündungsgebiet des Flusses und die Ruine von Carrigafoyle zu sehen waren. »Hier gibt es keine gottverdammten Nachbarn!«
»Immer mit der Ruhe, mein Junge! Es war ja nur ein Vorschlag.«
»Ja, schon klar, aber das können Sie sich sparen. Er ist mein Dad, und ich kümmere mich schon um ihn, seit ihr meine Mam aus dem Wasser gezogen habt.«
In dem Moment kam ein junger Beamter mit einer Schuhschachtel die Treppe herunter. Er stellte die Schachtel auf den Tisch.
»Das haben wir gerade gefunden.« Dabei reckte er den Daumen in Jimmys Richtung.
McCafferty warf einen Blick in die Schachtel: Neben einem ganzen Stapel Polaroid-Fotos enthielt sie auch die Kamera, mit der sie aufgenommen worden waren. »Was ist das für Zeug, Jim?«, fragte er.
Jimmy verdrehte die Augen zur Decke. »Wonach sieht es denn aus?«
»Das sind eine Menge Fotos.«
»Ach ja? Ist es neuerdings verboten, Fotos zu schießen?«
McCafferty trat vor die Tür. Während er den Blick über das Wasser schweifen ließ, zog er sein Handy heraus, um in Dublin anzurufen.
»Joseph«, sagte er, als Doyle ranging, »hier Martin McCafferty. Bestimmt interessiert es dich zu hören, dass wir eine Polaroid-Kamera gefunden haben.«
Dienstag, 2. September, 12:50 Uhr
Quinn stand gerade an seiner Bürotür, als Doyle auf ihn zukam, um ihn darüber zu informieren, dass die Kollegen aus Kerry mit Jimmy Hanrahan und einer Polaroid-Kamera auf dem Weg nach Dublin waren.
Endlich ein Durchbruch. Quinns Herz schlug plötzlich eine Spur schneller: Eine Made kroch ihr ins Gehirn, so hieß es zu jener Zeit, doch nur Mary weiß Bescheid .
War Jimmy Hanrahan fähig, sich so etwas auszudenken? Jimmy, der einer alten Frau eine Wunde zugefügt hatte, die mit zweiunddreißig Stichen genäht werden musste, woraufhin seine Mutter sich ertränkte und sein Vater in das höllische Gefängnis seiner eigenen, alkoholgetränkten Schuldgefühle abtauchte? Jimmy, der ihnen damals vorgefaselt hatte, er habe Maggs mit Mary Harrington gesehen, und dabei selbst in unmittelbarer Nähe der Stelle lebte, wo sie ihre Leiche gefunden hatten.
Quinn trat ans Fenster. Beide Hände in den Taschen vergraben, dehnte er für einen Moment seine Schultern und begann dann zu sprechen, ohne sich zu Doyle umzudrehen. »Hat es dir nie zu schaffen gemacht, dass wir keinerlei handfeste Beweise hatten, Doyle?«, fragte er ihn. »Keine einzige Faser aus dem alten Granada oder so was in der Art?«
»Nein, überhaupt nicht.« Doyle stieß hörbar die Luft aus. »Wir hatten, was wir hatten, und dementsprechend haben wir unsere Arbeit gemacht.«
Quinn ging zu seinem Schreibtisch hinüber, schlug Marys Akte auf und blätterte sie durch.
»Lieber Himmel, du bist ja inzwischen richtig besessen von dieser Akte«, bemerkte Doyle.
»So wie du von der Made, meinst du?«
»Ich erkenne eben einen Schuldigen, wenn ich einen sehe.«
»Das bekomme ich von dir ständig zu hören, und ich schätze, wenn wir es dieses Mal beweisen können, rechtfertigt das im Nachhinein auch deine Anwesenheit in jener Zelle.«
»Es geht mir nicht darum, mich zu rechtfertigen, Moss«, antwortete Doyle. »Außerdem habt ihr beide – sowohl du als auch Frank – genau gewusst, was an dem Abend ablief.« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Eva ist nun schon fast zwei Tage verschwunden. Herrgott, die Made ist unser Mann! Lass ihn uns noch einmal einkassieren, und lass dieses Mal mich die Befragung durchführen.«
Quinn gab ihm keine Antwort. Ein paar Minuten lang herrschte Schweigen. Am Fenster trat Doyle nervös von einem Bein aufs andere, während Quinn unruhig auf seinem Schreibtischstuhl herumrutschte.
»Glaubst du denn wirklich, es könnte Jimmy sein?«, fragte Doyle schließlich. Kopfschüttelnd fügte er hinzu: »Das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Nein, beim besten Willen nicht.«
»Immerhin hat er uns Maggs auf dem silbernen Tablett präsentiert«, gab Quinn zu bedenken. »Und er war dazu fähig, für ein paar lumpige Pfund einer alten Frau fast den Schädel einzuschlagen. Er musste davon ausgehen, dass wir ihn unter die Lupe nehmen würden, und deswegen war er nur allzu gern bereit, uns zu verraten, dass Maggs mit Mary gesprochen hatte. Alle in Listowel wussten, wie schlecht wir beide auf Maggs zu sprechen waren. Sehen wir den Tatsachen doch mal ins Auge: Wir haben ihre Erwartungen nicht enttäuscht, oder? Wir haben uns sofort voller
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