Seelenrächer
Begeisterung auf den Kerl gestürzt. Man brauchte uns nur das richtige Stichwort zu geben. Und das bekamen wir sowohl von Jimmy als auch von Patrick Maguire.«
»Und wir bekamen es von ihm , Moss. Wir fanden heraus, dass die Made gelogen hatte.«
»Aber womöglich nur aus Angst.« Quinn musterte ihn eindringlich. »Hast du nicht das Gefühl – ich meine, nachdem wir nun den nötigen Abstand haben –, dass wir beide vielleicht ein klein wenig voreingenommen waren?«
Doyle setzte sich. »Keine Ahnung«, antwortete er. »Kann schon sein. Aber Jimmy? Der lebt in Kerry. War er denn am Sonntagabend überhaupt hier in der Stadt? Und selbst wenn, was zum Teufel sollte er gegen Eva haben?«
»Ich weiß es nicht. Sobald er hier ist, können wir ihn ja fragen.«
Quinn sah auf die Uhr. Er spürte, wie die Anspannung an ihm nagte. »Weißt du, Eva und ich haben uns wegen Maggs gestritten«, erklärte er schließlich.
Vor seinem geistigen Auge sah er sie wieder vor dem viktorianischen Kamin sitzen und ihn mit Nachdruck darauf hinweisen, dass er völlig falschliege. Trotz all seiner Macken und Fehleinschätzungen wäre Conor nie in der Lage, jemanden umzubringen. Er habe noch nie einer Menschenseele etwas zuleide getan, egal, was ihr Onkel behaupte. »Sie hat mir klipp und klar gesagt, dass er es nicht gewesen ist. Und sie hat mir vorgeworfen, du und ich hätten ihn aus persönlichen Gründen auf dem Kieker, und deswegen habe sie den Respekt vor uns beiden verloren.«
Doyle betrachtete das hektische Treiben vor der Einsatzzentrale. »Aber wenn es nicht Maggs ist«, sagte er, »sondern ein anderer, was soll dann der ganze mysteriöse Mist?«
Quinn hob die Hände. »Vielleicht haben wir ihn verärgert, und nun ist er ein bisschen angesäuert oder so. Vielleicht will er uns damit sagen, dass wir das Ganze noch einmal unter die Lupe nehmen müssen. Dass wir uns im Zusammenhang mit Mary getäuscht haben und Eva erst finden werden, wenn wir Marys wahren Mörder gefunden haben.«
Doyle zog eine Augenbraue hoch. »Also zurück zu den lilienweißen Jungs. Sie kommen in einem Gedicht vor, nicht wahr? ›Green Grow the Rushes O‹. Darin heißt es: Two, two, the lilywhite boys, clothe them all in green, ho ho .«
»Darüber habe ich auch schon nachgedacht«, bemerkte Quinn, »zumindest über den Teil ›kleid sie ganz in Grün‹. Wer weiß, vielleicht hat es etwas mit Begrabenwerden zu tun. Vielleicht spielt es darauf an, wie Mary gestorben ist.«
»Mary wurde doch gar nicht in Grün gekleidet, oder? Sie lag nicht unter Gras, Moss, sondern unter Holzdielen.« Doyle überlegte einen Moment. »Möglich, dass Kildare damit gemeint ist«, murmelte er. »Ein Lilienweißer ist im Volksmund jemand, der aus Kildare stammt.«
Nachdem Quinn sich ins Internet eingeloggt hatte, rief er eine Suchmachine auf und gab die Worte »Green Grow the Rushes O« ein.
Doyle beugte sich neben ihm über den Schreibtisch.
Quinn klickte auf den Wikipedia-Eintrag und las aus der Einleitung vor: »Das Lied wird auch bezeichnet als ›Die zwölf Propheten‹ oder ›Die Weise von den zwölf Zahlen‹. I’ll sing you one, ho, green grow the rushes, o. What is your one, ho? One is one and all alone and ever more shall be so .« Er las einen Moment leise weiter, dann blickte er plötzlich überrascht hoch. »Sieh dir mal das hier an«, sagte er. »Hier steht: Die Zeile ›Green grow the rushes, o‹ klingt derart fehl am Platz, dass man geneigt ist, sie derselben Quelle zuzuschreiben wie ›Fine flowers in the valley‹, eine ähnlich unpassende Zeile, die in einer Version der Ballade ›The Cruel Mother‹ vorkommt. Die grausame Mutter!«
»Klick sie an«, antwortete Doyle.
»Was?«
»Diese Ballade. ›Die grausame Mutter‹. Klick sie an.«
Quinn tat, wie ihm geheißen. Auf dem Bildschirm erschien eine neue Seite. Er begann zu lesen:
»Eine Frau bringt ein, zwei uneheliche Kinder auf die Welt, meist handelt es sich um Söhne. Sie tötet und vergräbt sie. Auf dem Heimweg trifft sie zwei spielende Kinder und sagt zu ihnen, wenn sie ihre Kinder wären, würde sie ihnen schöne Sachen anziehen und auch sonst gut für sie sorgen. Worauf die Kinder ihr zur Antwort geben, sie habe sie, als sie noch die ihren waren, nicht schön angezogen, sondern umgebracht. Dafür werde sie in der Hölle landen.«
Doyle blähte die Nüstern. »Maggs war ein uneheliches Kind«, stellte er fest, »dessen Mutter ihm das Leben zur Hölle gemacht hat.«
»Stimmt«, pflichtete
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