Seelenrächer
Quinn ihm bei. »Aber hier in dem Text ist von einem beziehungsweise zwei unehelichen Söhnen die Rede.« Er überlegte einen Moment. Dann kehrte er zur vorherigen Seite zurück und las noch einmal das ursprüngliche Gedicht. Diesmal fiel ihm eine andere Zeile besonders ins Auge – eine Zeile, die ihm sofort zu schaffen machte. Sehr sogar.
»Seven for the seven stars in the sky; or seven for the seven who went to heaven.«
Durch die offene Tür blickte er in die Einsatzzentrale hinüber, wo sich auf Murphys Schreibtisch die Akten stapelten, die sie eigentlich mit nach Naas hätten nehmen sollen.
»Sieben für die sieben, die in den Himmel kamen«, murmelte er. »Sechs Frauen sind tot, Doyle, und eine weitere wird vermisst.«
Dienstag, 2. September, 13:15 Uhr
Das Zimmer war klein und vollgepfercht, und Jane Finucane saß mit verschränkten Armen da, als Murphy mit Molly den Raum betrat. Die beiden jungen Frauen musterten sich einen Moment eindringlich.
»Ich weiß nicht, ob Sie einander jemals vorgestellt wurden«, brach Murphy das etwas peinliche Schweigen. »Jane Finucane, Molly Parkinson.«
»Ich habe Sie bei Conors Prozess gesehen«, bemerkte Jane. »Sie haben gegen ihn ausgesagt.«
»Ja, das stimmt.«
»Was tun Sie hier?«
Molly gab ihr keine Antwort. Hilfesuchend sah sie Murphy an.
»Ich habe mir gedacht, ihr zwei Mädels könntet euch mal ein bisschen unterhalten«, erklärte Murphy. »Schließlich habt ihr einiges gemeinsam.«
Nervös nahm Molly Platz. »Ich glaube, sie meint Conor, Jane. Ich weiß, dass Sie ihn zur Verhandlung begleitet haben. Ich habe Sie auf der Treppe gesehen, als er die Pressekonferenz gab. Sind Sie noch mit ihm zusammen?«
Jane nickte. »Wir sind zusammengekommen, als er in Untersuchungshaft war. Er hat damals einen offenen Brief geschrieben, um alle wissen zu lassen, was ihm widerfahren war und unter welch dramatischen Umständen er bekehrt wurde. Ich gehöre zu einer speziellen Glaubensgemeinde, müssen Sie wissen. Sein Brief hat nicht nur mich, sondern uns alle sehr berührt.«
»Deswegen haben Sie ihm zurückgeschrieben?«
»Ja, und dann habe ich ihn in Mountjoy besucht.«
»Und dort haben Sie sich in ihn verliebt?«
»Praktisch auf den ersten Blick.«
»Das soll vorkommen«, meinte Molly. »Bei mir war es eher so, dass ich ihn bemuttern wollte. Was mir eigentlich überhaupt nicht ähnlich sieht. Aber er wirkte auf mich immer ein wenig verletzlich. Ich weiß noch, dass mir das schon aufgefallen ist, als er das erste Mal den Salon betrat. Ich bin Friseurin, müssen Sie wissen, und eines Tages kam Conor zur Tür herein. Obwohl er nicht viel gesagt hat, hatte er irgendetwas an sich, das mir wirklich unter die Haut ging.«
»Er ist ehrlich«, erklärte Jane, »das findet man heutzutage nur noch ganz selten. Bei Conor muss man nicht zwischen den Zeilen lesen: Was er sagt, das meint er auch so.«
»Zumindest wirkt er ehrlich«, entgegnete Molly. »In der Nacht, als Mary Harrington ermordet wurde, hat er mir nämlich eingebläut, was ich der Polizei gegenüber aussagen soll.«
»Sie meinen, er hat Ihnen ins Gedächtnis gerufen, wie es war. Ich habe Ihre Zeugenaussage gehört, Molly, und auch mit Conor darüber gesprochen. Wir haben keine Geheimnisse voreinander. Ich weiß von ihm, dass er Ihnen erst sagen musste, was vorgefallen war, weil Sie so sternhagelvoll waren, dass Sie sich an nichts erinnern konnten.«
»Ich hatte ein paar Drinks zu viel, das stimmt.«
»Sie hatten einen totalen Filmriss.«
»Als ich wieder aufgewacht bin, war er nicht da.«
»Das behaupten Sie.«
»So war es, Jane. Ich habe doch nichts davon, wenn ich Sie jetzt noch anlüge, das Gericht hat ihn ja bereits gehen lassen. Tatsache ist, dass Conor nicht da war, als ich aufgewacht bin.«
Jane brauchte ein paar Minuten, um zu verdauen, was sie gerade gehört hatte. Dann wandte sie sich an Murphy.
»Hören Sie«, sagte sie, »mir ist klar, wie ernst die Lage ist, aber ich weiß auch, wie das so läuft bei der Polizei. Wenn jemand vermisst wird, steht ihr unter großem Zeitdruck. Ihr müsst möglichst schnell einen Schuldigen finden. Da spielt es im Grunde keine Rolle, wen ihr euch schnappt – Hauptsache, ihr könnt jemanden einkassieren.«
Molly blickte zu ihr hinüber. »Ich schätze, wenn man so denkt, ist es leichter, einem Mann ein Alibi zu geben«, erklärte sie, »obendrein, wenn man glaubt, in den Kerl verliebt zu sein. Außerdem haben Sie ja schon einmal miterlebt, wie die Polizei
Weitere Kostenlose Bücher