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Seelenrächer

Seelenrächer

Titel: Seelenrächer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G O'Carroll
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versucht hat, ihm was anzuhängen. Klar, dass Sie den Bullen nicht trauen.«
    Sie warf einen schnellen Blick zu Murphy hinüber. »In meinem Fall war das ganz anders. Ich hatte keine Ahnung, wie raffiniert Polizisten sein können, und ich hatte auch nicht das Gefühl, richtig verliebt zu sein. Ich war an dem Abend nur dermaßen besoffen, dass ich keinen blassen Schimmer hatte, was wirklich ablief. Laut Conor waren wir keine Minute voneinander getrennt – abgesehen davon, dass er mir mal schnell Zigaretten holte. Von der Polizei habe ich dann aber erfahren, dass er von zwei verschiedenen Leuten dabei beobachtet wurde, wie er mit Mary Harrington sprach. Nach einer Weile dämmerte mir, dass tatsächlich eine junge Frau ermordet worden war. Das war eine ernste Sache. Sehr ernst sogar. Nicht nur, weil es eine Tote gegeben hatte, sondern auch, weil ich, wenn ich mich nicht richtig erinnerte, womöglich einen Mann belastete, der gar nichts mit der Sache zu tun hatte. Ich habe lange nachgedacht, das müssen Sie mir glauben. Ich habe mich gezwungen, den ganzen Abend im Geiste wieder und wieder durchzugehen, bis ich schließlich das Gefühl hatte, einigermaßen klar zu sehen. Nach der Trennung von Conor habe ich mir ein weiteres Mal das Gehirn zermartert, doch am Ende musste ich der Polizei sagen, dass ich nicht lückenlos Rechenschaft darüber ablegen konnte, wo ich den Abend zugebracht hatte, geschweige denn, wo jemand anderer ihn zugebracht hatte. Es war die Wahrheit, Jane. Sie haben meine Aussage gehört, und eigentlich hätte ich gedacht, für eine gläubige Frau wie Sie gäbe es nichts Wichtigeres als die Wahrheit.«
    Mit diesen Worten schob sie ihren Stuhl zurück und stand auf. »Mehr habe ich dazu nicht zu sagen: Eine Frau wird vermisst, genau wie damals Mary – nur dass dieses Mal noch Hoffnung besteht, sie lebend zu finden. Da ich mich seinerzeit nicht richtig erinnern konnte, hielt ich es für das Beste, einfach nachzuplappern, was Conor mir eingeimpft hatte. Aus diesem Grund habe ich ihm sein Alibi gegeben. Ich habe nicht absichtlich gelogen, ich konnte mich nur nicht erinnern.« Sie hielt einen Moment inne und sah Jane in die Augen.
    »Sie dagegen waren am Sonntagabend nicht betrunken. Falls er also nicht bei Ihnen war, dann lügen Sie – und in Anbetracht dessen, was alles passiert ist, sollten Sie sich vielleicht fragen, warum.«

Dienstag, 2. September, 14:00 Uhr
    Patrick Maguire schrieb sich gerade am Besucherempfang der Strafanstalt von Limerick ein. Da er in dem Gefängnis regelmäßig ein und aus ging, kannte er den diensthabenden Beamten recht gut: Es war noch dazu ein alter Freund seines Bruders, der sie sogar schon einmal in Franks Ferienhaus unten in Ballybunion besucht hatte.
    »Gibt es etwas Neues von Quinns Frau?«, fragte ihn der Sergeant. »Ich verfolge die Nachrichten, habe aber den Eindruck, die Medien wissen nicht allzu viel.«
    »Mein Bruder leitet die Show«, antwortete Maguire, »und vermutlich hält er sich ziemlich bedeckt. Er ist kein großer Fan von Ermittlungen, die übers Fernsehen laufen, John. Er hat keine Zeit für die Schlaumeier, die einem ständig an den Fersen kleben und schon über den nächsten Schritt der Polizei berichten, bevor die ihn getan hat.«
    »Kann ich ihm nicht verdenken.«
    »Davon mal abgesehen«, fuhr Maguire fort, »befürchte ich fast, dass es im Moment wirklich nichts Neues gibt.«
    »Die haben also tatsächlich noch keine Ahnung, wo sie sein könnte?«
    »Zumindest wissen sie, dass sie nicht in den Kanälen oder der Liffey liegt. Da ist ja schon mal was.«
    »Also, wenn du Moss Quinn siehst, dann grüß ihn ganz herzlich von mir.«
    »Das mache ich, John. Bis bald.«
    Maguire besuchte Willie Moore, einen dreiundzwanzigjährigen Insassen, der zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt worden war, weil er auf den Straßen von Limerick Heroin verkauft hatte. Er hatte kantige Gesichtszüge, mehrfach gepiercte Ohren und am rechten Arm eine Tätowierung, die die dreibeinige Triskele der Isle of Man darstellte. Maguires erstes Gespräch mit ihm lag etwa zwei Jahre zurück. Damals hatte Willie in Untersuchungshaft gesessen. Der junge Mann war nicht nur hochintelligent, sondern darüber hinaus auch eiskalt und berechnend. Und ziemlich abgebrüht: Er wusste, was er wollte, und scherte sich nicht im Mindesten darum, auf welchem Wege er sein Ziel erreichte.
    Willie stammte aus der Mittelschicht und hatte eine gute Ausbildung genossen, dann aber sein Studium abgebrochen,

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