Seelenraub
Jahrhunderts geweiht worden. Die Menschen der viktorianischen Zeit waren total auf Friedhöfe abgefahren und hatten sie wie kleine Parks angelegt, und so war Oakland für seine riesigen Magnolienbäume und prächtigen Mausoleen bekannt.
In den vergangenen zwei Wochen hatte Riley fast jede Nacht hier verbracht, sicher und geborgen in einem gesegneten Kreis aus Weihwasser und Kerzen, und hatte das Grab ihres Vaters vor den Nekros beschützt. Solange der Kreis intakt war, kam niemand an ihn heran. Nach dem Vollmond wäre er vor allen Beschwörungssprüchen sicher gewesen.
Aber er hat es nicht bis zum Vollmond geschafft.
»Ich hätte hier sein sollen«, grummelte sie und stieß den Atem in einer dünnen weißen Dampfwolke aus, während sie tiefer in das Friedhofsgelände hineinstapfte. Nichts hätte ihr solche Angst bereitet, dass sie den Schutzkreis zerstört hätte.
Sie bog links ab auf den Weg, der zum Fleckchen Erde ihrer Familie führte. Im Moment war die Luft still, und das Mondlicht ergoss sich über die uralten Grabsteine wie dünner, silbriger Zuckerguss. Unter jedem Stein lag jemand, der einmal in dieser Stadt gelebt hatte, diese Straßen entlanggeschritten war. Jetzt war alles, was ihnen geblieben war, ein Fitzelchen roter Erde.
Als die Blackthornes noch vermögend waren – in den 1880 er Jahren war einer ihrer Vorfahren Bankier gewesen –, hatten sie diese Familiengruft errichten lassen. Sie war eine der schönsten auf dem ganzen Friedhof und lag wie auf einer Insel zwischen zwei Wegen. Sie war aus roten Ziegeln errichtet, so solide, dass sie einem Tornado trotzen konnte. Die Baumeister hatten das Gebäude nach bester viktorianischer Mode herausgeputzt – schwere Bronzetüren, Buntglasfenster und lauernde Wasserspeier auf dem Dach.
Wenn Riley jetzt an das Mausoleum dachte, dann an die unzähligen Stunden, die sie hier Totenwache für ihren Vater gehalten hatte. An die letzte Nacht mit Beck, nachdem die Dämonenfänger angegriffen worden waren. In seine Arme geschmiegt, war sie im Grabmal in den Schlaf gesunken, in Sicherheit auf dem geweihten Boden. Sie glaubte nicht, dass er auch nur ein Auge zubekommen hatte. Er hatte nach Rauch und Blut und rechtschaffenem Zorn gerochen. Denver Beck war eine Dynamitstange, die auf ein Streichholz wartete, und sie hoffte, dass sie nicht in der Nähe sein würde, wenn er hochging.
Vor dem Mausoleum blieb Riley stehen und schielte nach oben zu den Wasserspeiern. Ihre grotesken Löwenfratzen blickten finster zu ihr herab, als sei sie ein Eindringling. Sie hatten ihr schon immer Angst gemacht.
Da das Gebäude voll war mit toten Verwandten, lagen die Gräber ihrer Eltern an der Westseite, mit Blick auf die Kuppel des Kapitols. Obwohl der Schmerz fast unerträglich war, ging Riley vor dem Grab ihres Vaters in die Knie. Es war immer noch ein einziges Durcheinander, als hätte ein Riesenmaulwurf sich in dem verzweifelten Versuch, zu entkommen, ausgebuddelt und zu allen Seiten Erde angehäuft. Der beschädigte Sarg war verschwunden. Offensichtlich hatten Friedhofsmitarbeiter ihn abgeholt.
Sie holte tief Luft, spürte, wie die Kälte ihre Lungen durchtränkte und sie zum Husten zwang. Noch immer hatte sie den Geschmack von Ruß im Mund. Sie blinzelte die Tränen fort und flüsterte: »Es tut mir leid, Dad. So sollte es nicht sein.«
Er sollte am Leben sein, ihr beibringen, eine Dämonenfängerin zu sein, über ihre Witze lachen und sie zum Pizzaessen einladen. Sie eine Schlafmütze nennen, wenn sie spät aufwachte. Für sie da sein. Jetzt war da nur noch ein leeres Loch in der Erde, das die Leere in ihrem Herzen widerspiegelte.
Riley schwieg eine Zeitlang, zupfte Bilder aus den Ecken ihrer Erinnerung, als würde sie ein Fadenknäuel entwirren. Niemals wollte sie die einfühlsame Stimme ihres Vaters vergessen, sein Gesicht, die Art, wie sein Haar sich weigerte, sich zu benehmen. Solange sie diese Erinnerungen bewahrte, war er nicht wirklich tot.
Schließlich begann sie, mit ihm zu sprechen. Auch wenn sein Leichnam verschwunden blieb, war seine Seele irgendwo hier und hörte sie. Es war nicht so, dass sie ihrer Mom nicht nahegestanden hätte, aber ihr Vater war ein Dämonenfänger gewesen, so dass sie ihm erzählen konnte, was während der letzten vierundzwanzig Stunden geschehen war. Sie wusste, dass er ihr nicht antworten konnte, aber irgendwie schien es ihr zu helfen, mit ihm zu sprechen.
»Ich habe einige von ihnen sterben sehen«, sagte sie schaudernd. »Beck
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