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Seelenraub

Seelenraub

Titel: Seelenraub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Oliver
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lebt, aber er ist ziemlich ramponiert. Simon ist …« Ihre Stimme erstarb. »Er wird durchkommen, aber nur, weil … na ja, einfach deswegen.«
    Ein leiser Wind strich durch die Bäume um sie herum, als hätte ihr Vater sie verstanden und böte ihr seinen Trost. Seine beruhigende Stimme durchströmte sie.
Alles wird gut
.
    Als sie ein Kind war, hatte sie ihm geglaubt. Jetzt nicht mehr.
    Nachdem sie sich alles von der Seele geredet hatte, stand Riley auf, klopfte sich den Dreck von den Knien und ging den Weg zurück zum Glockenturm, wo sich das Friedhofsbüro und der Souvenirladen befanden. Sie würde hier auf den Freiwilligen warten, der ihren Vater und sie so gnadenlos enttäuscht hatte.
    Rasch begann sie sich zu langweilen, also wählte sie die Nummer ihres besten Freundes. Sie hatte nicht viele Freunde, zumindest nicht solche wie Peter. Er war für sie eher ein großer Bruder als ein Kumpel. Leider hatten sie sich beim letzten Mal, als sie telefoniert hatten, im Streit getrennt.
    »Hallo?«, fragte ihr Freund zögernd.
    Sie hatte vergessen, dass sie das Telefon ihres Vaters benutzte und er die Nummer nicht kannte.
    »Hi, Peter, ich bin’s.«
    »Hi. Wo steckst du?«
    »Auf dem Friedhof.«
    »Immer noch die Totenwache?«
    Peter wusste es noch nicht. Zuletzt hatte sie ihn von Becks Haus aus angerufen, am Morgen nach dem Feuer im Tabernakel. Außer sich, weil sie beinahe gestorben wäre, hatte Peter einfach aufgelegt, und sie hatte keine Gelegenheit gehabt, ihm von ihrem Dad zu erzählen.
    »Nein, damit bin ich fertig.« Dann erklärte sie ihm, warum.
    »Wie ätzend! Da hattest du die ganze Arbeit und …« Er fluchte ins Telefon. »Es tut mir so leid, Riley.«
    »Ja, das ist echt scheiße. Ich versuche, ihn zu finden, aber keiner der Nekros macht den Mund auf.«
    Schweigen am anderen Ende des Telefons.
    »Und wie läuft’s bei dir?«, fragte sie, in der Hoffnung, so etwas wie ein Gespräch in Gang zu bringen.
    »Nicht gut. Hier drehen gerade alle irgendwie durch. Eigentlich kann ich jetzt gar nicht telefonieren.«
    »Äh, in Ordnung. Vielleicht können wir ja morgen reden.«
    »Klar. Machen wir.« Er legte auf.
    War er immer noch sauer, weil sie im Tabernakel beinahe gestorben wäre, oder steckte etwas anderes dahinter? Das würde sie nie herausfinden, solange er nicht bereit war, darüber zu reden. Sie schob das als ein weiteres mögliches Problem beiseite.
    Riley sah alle paar Minuten auf die Uhr, und eine Viertelstunde später kam der Typ vom Friedhof. Er war jünger als erwartet, etwa fünfundzwanzig, und trug eine Brille. Sein Mantel hing schwer an seiner dürren Gestalt. Er kam die Straße entlang wie jemand, der brutal ausgeraubt worden war und damit rechnete, erneut zum Opfer zu werden.
    Dies war der Freiwillige, der es nicht geschafft hatte, ihren Vater zu behüten. Letzte Nacht hätte sie ihn mit Freuden einem Dämon zum Fraß vorwerfen können, und heute Abend war es nicht sehr viel anders. Dabei hatte sie selbst den Kreis zweimal beinahe zerstört und Ozymandias’ clevere Tricks erst im letzten Moment durchschaut.
    Gut drei Meter von Riley entfernt blieb der Typ stehen. Sie saß auf der Treppe, die zum Friedhofsbüro führte, und der verstörte Ausdruck auf seinem rötlichen Gesicht war nicht zu verkennen. Er war eine wandelnde Entschuldigung. Sie starrten einander eine Weile an, keiner war bereit, als Erster das Wort zu ergreifen. Beim geringsten Geräusch zuckte er zusammen und warf einen ängstlichen Blick in die Richtung, aus der es gekommen war. Wie viel Überwindung musste es ihn gekostet haben, heute Abend hierherzukommen!
    Es war nicht mit anzusehen. »Erzähl mir, was passiert ist«, sagte sie.
    Er zuckte zusammen. »Ich … ich habe alles genau so gemacht, wie es sich gehört.«
    O Gott
. Er klang genau wie sie nach der Katastrophe in der Rechtsabteilung der Uni-Bibliothek. Sie hatte exakt die gleichen Worte benutzt, als Beck eine Erklärung verlangt hatte.
    Der Freiwillige zappelte immer noch herum, also winkte sie ihn heran, damit er sich neben sie auf die Treppe setzte. Er tat es mit äußerstem Widerwillen, als bereite es ihm körperliche Schmerzen, ihr so nahe zu sein.
    »Wie heißt du?«, fragte sie.
    »Richard.«
    »Ich bin Riley«, sagte sie in neutralem Tonfall. Das hier war die Hölle für sie, und für ihn war es vermutlich nicht anders. »Erzähl mir, was passiert ist.«
    Er seufzte und zupfte an seinen Lederhandschuhen, ehe er antwortete. »Ich habe den Schutzkreis gezogen,

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