Seelenraub
Stewart einen raschen Blick zu. Dem Gesichtsausdruck des Meisters nach zu urteilen, war der Mann seiner Meinung. Man würde sie für die Katastrophe verantwortlich machen.
Die Reporter wuselten um sie herum und schossen Fragen wie Gewehrkugeln auf sie ab. Auf ihrem Weg zu dem klotzigen Gebäude, in dem die Stadtverwaltung untergebracht war, tat Beck sein Bestes, um eine Gasse für Stewart freizukämpfen, da er wusste, dass der Meister Probleme mit seinem Bein hatte. In Wahrheit ging es ihm selbst nicht sehr viel besser, aber zumindest hatte er das Alter auf seiner Seite.
Sobald sie die oberste Treppenstufe erreicht hatten, drehten sie sich gleichzeitig um und staunten über den Anblick, der sich ihnen darbot: Die Mitchell Street war mit Übertragungswagen vollgestopft, deren Satellitenmasten wie übereifrige Gänseblümchen hoch in den Himmel ragten. Im Park auf der anderen Straßenseite hatte die Polizei einen Bereich für die neugierigen Bürger Atlantas abgetrennt. Überall waren Schilder zu sehen. »Bereite dich darauf vor, deinem Schöpfer gegenüberzutreten!«, hieß es in knallroten Buchstaben auf dem einen, andere zitierten Bibelverse. Und dann waren da noch ein paar Anhänger der Dämonenrechtsbewegung mit falschen Hörnern auf dem Kopf. Sie hatten sogar Mistgabeln aus Plastik dabei und trugen spitze Schwänze. Dieser Haufen stand abgesondert von dem Rest, wahrscheinlich, damit sie keine Prügel bezogen.
»Was haben wir denn da?«, fragte Stewart.
»Jede Menge Durchgeknallte«, erwiderte Beck säuerlich.
»Ein paar, vielleicht. Wenn Menschen Angst haben, machen sie Dummheiten, Junge. Merk dir das für die Zukunft.«
Beck antwortete nicht. Natürlich hatte der alte Dämonenfänger recht. Solange die Zunft zwischen den finsteren, furchterregenden Dingen und der Öffentlichkeit stand, waren die guten Leute von Atlanta ganz zufrieden damit. Jetzt sah es aus, als würden die Fänger die Schlacht verlieren, und das brachte ihre Mitbürger vor Angst um den Verstand.
Zum Teufel, es macht sogar mir Angst
.
Beck erhaschte einen flüchtigen Blick auf einen feuerroten, schulterlangen Haarschopf, der sich in der sanften Brise bauschte. Er gehörte zu einer Frau, die einen schokoladenbraunen Hosenanzug trug und neben dem Van eines Nachrichtensenders stand. Aus der Ferne war es schwer, ihre Augenfarbe zu erkennen, aber er wettete, dass sie hellgrün waren, wie ihre Bluse. Sie stand da wie ein feuerroter Leuchtturm inmitten einer einfarbigen Masse.
Hinter ihnen ertönte ein nervöses Hüsteln. Es kam von einem ernsthaften jungen Mann im Anzug. »Meine Herren?«, sagte er. »Wenn Sie mir bitte folgen wollen. Der Rat ist bereit.«
Stewart winkte ihre Begleitung voran. »›Schlage zu, Macduff, und verdammt sey der, der zuerst ruft: Halt, genug!‹«
»Wie bitte?«, fragte der junge Lakai verwirrt.
»Lass gut sein. Zeig uns den Weg, bist du so gut?«
»Sehr wohl, Sir.«
Als sie das Gebäude betraten, wunderte Beck sich laut, wieso die massiven Metalltüren noch am Platz waren. »Sie müssen ein Vermögen wert sein.«
»Die letzten drei Ganoven, die versucht haben, sie zu stehlen, bekamen ein Ticket zur Dämonenhochburg. Einfache Fahrt«, erklärte Stewart. »Das hat sich herumgesprochen.«
Sie gingen weiter, und Becks Bein begann allmählich zu pochen.
Der junge Mann führte sie in eines der kleineren Sitzungszimmer. Es war nicht besonders eindrucksvoll, bloß ein langer Tisch und ein paar gepolsterte Sessel für den Rat und Klappstühle für das Publikum. Der Meisterfänger ließ sich auf einen Stuhl in der Nähe der Stirnseite fallen. Sein Gesicht war schweißnass.
»Alles in Ordnung?«, fragte Beck besorgt.
»Nichts, was sich nicht mit einem kleinen Whisky auskurieren ließe«, erwiderte der Meister erschöpft. Er sah ihm in die Augen. »Du wirst deinen Zorn im Zaum halten, verstanden?«
Das könnte schwierig werden. Beck war hundemüde, er hatte rasende Kopfschmerzen, und sein ganzer Körper tat weh, als hätte er stundenlang Pogo getanzt. Mit Dämonen.
Ganz ruhig
, sagte eine Stimme in seinem Kopf. Es war Pauls Stimme, die ihn führte, wie sie es getan hatte, seit Beck sechzehn war.
Ezekiel Montgomery, der Bürgermeister von Atlanta, kam durch eine Seitentür herein. Der Politiker trug eine beeindruckende Wampe vor sich her und wurde von einigen Ratsmitgliedern, ein paar Assistenten und zwei Polizisten begleitet. Die Officers bauten sich seitlich des langen Tisches auf, zum Publikum gewandt, als
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