Seelenraub
wahre Gestalt sehen, samt Schwert und Schwingen.
Er quietschte auf und sprang entsetzt zurück, presste sein blutdurchtränktes Mahl an die Brust, während die schwarzen Haare abstanden wie bei einem Stachelschwein. Nach einem raschen Blick in die Runde begriff er, dass er keine Möglichkeit hatte, sich zu verstecken.
»Höllenbrut«, sagte Ori. »Du weißt, was ich bin.« Die Abscheulichkeit stieß ein furchtsames Winseln aus. »Und du weißt, was ich will.«
Der Dämon begann zu zittern. Gastro-Dämonen oder Dreier, wie die Fänger sie so originell nannten, waren nicht besonders intelligent. Ihre Gehirne waren nur darauf gepolt, Nahrung zu beschaffen. Dieser hier hatte immerhin genug Grips, um zu wissen, dass es seinen Tod bedeuten konnte, wenn er Ori nicht einen Tipp gab, wie er einen anderen Dämon finden konnte. Besonders, wenn es sich bei diesem anderen Dämon um einen Wettermacher handelte, der in der Lage war, einen Meisterfänger zu töten.
»Wo ist der abtrünnige Dämon namens Astaring?«, wollte Ori wissen.
Das Gesicht des Dämons schien sich zusammenzuknüllen, bis die Miene beinahe als nachdenklich durchgehen konnte, dann streckte er ihm vorsichtig die Ratte entgegen. Vielleicht als Schutzgeld für sein Leben?
Seufzend schüttelte Ori den Kopf. »Nein. Das ist es nicht, was ich will.« Drohend machte er einen Schritt nach vorn. Er erntete die Reaktion, auf die er gehofft hatte, denn die Höllenbrut kauerte sich ängstlich zusammen.
»Sag es mir, du erbärmliche Kreatur«, befahl er und legte mehr Macht hinter den Befehl.
Das Wesen begann, in Höllensprache loszuplappern. Was er von sich gab, waren größtenteils Beschwerden darüber, wie schlecht er von den anderen Dämonen behandelt wurde, aber ganz am Ende gab er Ori doch ein winziges Fitzelchen Information.
»Danke. Und guten Appetit.« Endlich hatte er eine Spur zu dem Abtrünnigen, der Meister Blackthorne getötet hatte. Er wusste, dass er sich gar nicht nach dem Dreier umzudrehen brauchte, der war inzwischen längst im nächsten Loch verschwunden.
Kurze Zeit später stand er mitten auf einer Straße, die wie ein Kriegsgebiet aussah. Doch damit hatte er nichts zu tun, zumindest noch nicht. Seine Beute war nah. Er spürte das Ding. Spürte seine Macht.
»Zeige dich, Astaring«, rief er.
Eine Sekunde später sprang er in die Höhe, um dem Ansturm greller Flammen auszuweichen, die aus dem Boden unter seinen Füßen emporschossen. Er drehte sich in der Luft, spreizte seine Schwingen, das Schwert für die Schlacht gezückt. Die Flammen verschwanden und hinterließen einen Krater mit rauchenden Rändern im Asphalt. Wenn er nur eine Spur langsamer gewesen wäre, wäre er jetzt nicht mehr als ein Haufen qualmender Federn.
»Du bist ja ein ganz Schlauer«, sagte er. »Jetzt hör auf, dich zu verstecken wie ein törichtes Kind.«
Ein kaltes und grausames Lachen durchschnitt die Luft, doch der Dämon materialisierte sich nicht. »Der Krieg kommt, Göttlicher«, sagte er. »Auf welcher Seite stehst du?«
Dann war der Dämon verschwunden, seine Macht verwehte in der Nachtluft. In der Luft schwebend, versuchte Ori herauszufinden, ob das eine Finte war.
»Feigling,« knurrte er.
Er sank zu Boden und zog seine Schwingen ein, als seine Füße die Erde berührten. Dämonen sprachen ständig von Krieg. Sie sehnten ihn herbei. Als hätten sie eine Chance, gegen den Himmel zu gewinnen.
Aber dieses Mal hatte der Dämon die Wahrheit gesprochen. »Der Krieg kommt.«
16. Kapitel
Der einzige Grund, warum Beck so früh am Morgen auf den Beinen war, saß an einem Tisch in der Nähe der Vorderfenster des Restaurants. Um sieben Uhr hatte die rothaarige Reporterin ihn angerufen und sich anschließend liebenswürdig, aber eisern geweigert, ihn wieder vom Haken zu lassen. Das Interview musste heute Morgen stattfinden. Am Ende hatte Beck zugestimmt, um die Frau endlich loszuwerden.
Als die Reporterin ihn sah, lächelte sie herzlich. »Guten Morgen, Mr Beck.« Sie hatte einen Akzent, den er nicht einordnen konnte. Irgendetwas Ausländisches, vielleicht Französisch oder Italienisch.
»Ma’am«, sagte er und rutschte ihr gegenüber auf die Bank. Er hatte sich rasiert und geduscht und seine besten Arbeitsklamotten angezogen, doch er fühlte sich immer noch unbehaglich. Es gab eigentlich keinen vernünftigen Grund, warum er mit dieser Lady reden sollte, vor allem nach dem Leichenschmaus gestern Abend. Er war nicht betrunken gewesen, aber nah dran, und jetzt
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