Seelenraub
musste.
»Ich habe gar nicht gesehen, dass du mir vom Krankenhaus gefolgt bist«, sagte sie und sah zu ihm hinüber.
»Ich bin ziemlich gut in dem, was ich tue«, erwiderte er. »Irgendwas ist da drin vorgefallen, stimmt’s?«
»Es ist mehr das, was nicht passiert ist.« Nervös verdrehte sie den Riemen ihrer Botentasche, dann merkte sie, was sie tat, und stieß die Tasche beiseite. Eine blöde Angewohnheit. »Mein Freund ist ganz komisch geworden. Ich weiß, dass er ziemlich krank ist und so, aber …«
»Aber?«, drängte Ori sie sanft.
»Simon hat sich verändert. Früher war er so süß und so freundlich. Jetzt ist er richtig ekelhaft, sogar zu mir, als sei es meine Schuld, dass er so zugerichtet wurde.«
»Glaubst du, dass es deine Schuld war?«
Nachdenklich rieb Riley sich das Gesicht. »Vielleicht. Was, wenn der Fünfer die anderen Dämonen mitgebracht hat, nur um mich zu kriegen? Was, wenn ich der Grund bin, dass all die Männer sterben mussten?«
Ori legte ihr sanft eine Hand auf den Arm und drückte sie beruhigend.
»Wenn der Fünfer dich gewollt hätte, hätte er nur den richtigen Zeitpunkt abwarten müssen, um dich zu töten. Er hätte es nicht nötig gehabt, einen Angriff auf das Tabernakel zu inszenieren.«
Riley blickte ihm forschend ins Gesicht und fand nichts als Mitgefühl. Solche Unterstützung brauchte sie im Moment dringend, und Simon würde sie ihr bestimmt nicht geben. »Glaubst du wirklich?«
Ori nickte. »Die Dämonen verhalten sich nicht normal. Irgendetwas oder irgendjemand bringt sie dazu, sich so merkwürdig zu benehmen.«
»Luzifer?«
»Nein. Nicht sein Stil. Dem Höllenfürsten geht Ordnung über alles.«
»Aber wer …« Riley ließ das Thema fallen, zu müde, um noch weiter darüber nachzudenken. Stewart und die anderen würden sich darum kümmern. Sie hatte ihren Freund und ihren Dad, um die sie sich Sorgen machte.
»Ich dachte, dass Simons Glaube ihm helfen würde. Ich meine, er ist echt religiös. Ich dachte, wir würden das zusammen wieder hinkriegen, aber er rührt sich kein Stück von der Stelle und schaut nur zurück.«
»Während du nach vorn schaust?«
Riley nickte. »Das mache ich immer, wenn etwas schiefläuft. Wenn ich ins Stocken geriete, bekäme ich vermutlich mein verkorkstes Leben nicht mehr in den Griff, also mache ich einfach immer weiter und hoffe, dass es besser wird. Doch das wird es nie.«
Ori legte ihr den Arm um die Schulter, zog sie eng an sich, so dass Riley den Kopf an seine Schulter lehnen konnte. Sie atmete den frischen, kühlen Duft ein, der zu ihm gehörte.
»Simon muss seinen Weg allein gehen«, sagte er. »Wenn er so dumm ist, dich wegzustoßen, dann hat er den Verlust. Gib ihn noch nicht auf.«
»Ich hoffe, dass er wieder klar im Kopf wird. Ich mag ihn echt gern.«
»Dann ist er ein Glückspilz.«
Sie richtete sich auf. Es behagte ihr nicht, wie nahe sie sich in so kurzer Zeit gekommen waren. Sie wusste so wenig über diesen Mann, und es war so gut wie sicher, dass er wieder verschwinden würde, sobald er den Fünfer erwischt hatte.
»Schaust du manchmal zurück und bedauerst Dinge, die du getan hast?«, fragte sie wehmütig.
Ori starrte in die Ferne, ehe er antwortete. »Nein«, sagte er kopfschüttelnd. »Den Luxus kann ich mir nicht erlauben.« Als er aufstand, blickte er mit einem traurigen Lächeln zu ihr hinunter.
»Und du auch nicht, Riley Blackthorne.«
Oris Erfahrung nach war es ziemlich leicht, einen Dämon zu finden, vor allem diejenigen, die alles fraßen. Alles, was man tun musste, war, die Ohren auf das Fauchen einzustellen und es anzupeilen. Er hatte bereits zwei von ihnen gefunden, ältere, wildere Exemplare, aber sie hatten sich als nicht besonders hilfreich erwiesen. Er hatte ihre blutenden Leichname in der schmutzigen Dunkelheit der Gegend liegengelassen, die von den Fängern Dämonenhochburg genannt wurde.
Jetzt hatte er einen anderen gefunden, einen jüngeren, bei dem die zweite Zahnreihe noch nicht entwickelt war. Er war runder, unförmiger und sah beinahe harmlos aus, aber innerhalb weniger Monate würde er abnehmen und zu einer Killermaschine werden, die nur ein Ziel kannte.
Er hatte sich gerade eine riesige Ratte gefangen. Der Kopf des Nagers war bereits verschwunden, doch dieser Dämon war, anders als die meisten seiner Art, kein Gierschlund. Er schien sich das Mahl schmecken zu lassen.
Ori ging leise in Position, etwa eineinhalb Meter von dem Ding entfernt. Dann ließ er den Dämon seine
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