Seelenriss: Thriller
Maurer sich diese Höllenqualen nicht selbst zugefügt hat.«
»Ach ja?« Vogt verschränkte die Arme vor dem Brustkorb, wobei sein enges Poloshirt über dem Bizeps spannte, als drohe es jeden Moment zu reißen. »Da sind wir uns ja ausnahmsweise einig. Fragt sich nur: Wie passt das mit Ihrer Theorie zusammen?«
Lena runzelte die Stirn. »Ganz einfach, sie hat es nicht freiwillig getan. Wenn Lynn Maurer tatsächlich vorgehabt hätte, sich und ihr Baby umzubringen, hätte sie das wesentlich einfacher haben können.«
»Sie meinen, jemand hat sie gezwungen, sich in seinem Beisein die Einschnitte zuzufügen und das Gesicht mit Säure zu übergießen, indem er physischen oder psychischen Druck auf sie ausübte?«, schaltete sich Wulf Belling ein.
Lena zog einen Mundwinkel hoch. »So bizarr sich das auch anhören mag – ich halte das durchaus für möglich«, antwortete sie ruhig und sachlich. Dabei registrierte sie, wie Ben Vogt seinem Sitznachbarn eine Bemerkung zuflüsterte.
»Es steht außer Frage, dass Sie sich mit diesen Psycho-Angelegenheiten besser auskennen als jeder andere«, meldete er sich zu Wort und stieß einen höhnischen Lacher aus. »Aber meine Theorie ist eine andere. Wollen Sie sie hören?«
Lena ermahnte sich, ruhig zu bleiben und streckte den Rücken durch. »Nur zu«, sagte sie, weil sie keine andere Wahl hatte.
Vogt wartete, bis er die Aufmerksamkeit eines jeden Polizisten im Raum hatte. »Nach Angaben ihres Hausarztes hatte Lynn Maurer vor sechs Monaten schon einmal versucht, sich das Leben zu nehmen, indem sie sich die Pulsadern aufgeschnitten hat. Hinzu kommt, dass Maurer HIV -positiv war – und im Blutbild der Frau wurden keine Anzeichen von Reverse-Transkriptase-Hemmern gefunden.«
»Sie hat keinerlei Enzyme genommen, die zur Behandlung bei HIV -Patienten eingesetzt werden?«, vergewisserte sich Drescher.
Vogt lächelte. »So ist es. Das heißt, sie hat sich nicht behandeln lassen, wofür es meiner Meinung nach nur zwei Erklärungen gibt: Lynn Maurer wusste gar nicht, dass sie HIV -positiv war, oder aber sie hat sich absichtlich nicht behandeln lassen, um ihrem Leben und dem ihres ungeborenen Kindes selbst ein Ende zu setzen«, sagte er mit hochgezogenen Schultern. »Was ihr offensichtlich geglückt ist.« Kaum hatte Vogt seine Theorie dargelegt, wurde abermals Gemurmel laut.
»Und was ist mit der Morddrohung?«, wandte Belling ein, da platzte Lucy Gittinger in den Konferenzraum, wie immer, ohne anzuklopfen. Lucy war eine mollige Brünette, die ihr Jurastudium abgebrochen und sich zum Leidwesen ihrer Eltern für eine Stelle beim Morddezernat entschieden hatte. Lena schätzte ihre Zuverlässigkeit, ihren rasiermesserscharfen Verstand und ihre unprätentiöse, aufgeschlossene Art. Sie war sich sicher, dass ihre Sympathien auf Gegenseitigkeit beruhten. Etwas, das sie nicht von vielen auf dem Revier behaupten konnte.
»Lucy, sieh einer an. Ich habe mich schon gefragt, wo Sie bleiben, und bin gespannt, mit welcher Ausrede Sie mir dieses Mal kommen. Ein Brand in der U-Bahn wie vor zwei Wochen wird es dieses Mal wohl kaum gewesen sein«, maßregelte Volker Drescher sie für ihr verspätetes Eintreffen.
»Ich habe noch einen kleinen Umweg gemacht«, brachte Lucy zu ihrer Verteidigung hervor. Sie öffnete ihre lederne Aktentasche, nahm ein gebundenes Dokument heraus und legte es mit einer lockeren Handbewegung vor Drescher auf den Konferenztisch. »Das hier ist das graphologische Gutachten, in dem schwarz auf weiß bestätigt wird, dass sowohl die Morddrohung an Lena Peters als auch die an Lynn Maurer zweifellos aus derselben Feder stammen«, referierte sie. »Männlich, gebildet, mittleren Alters.«
»Maurers lesbische Gespielin können wir demnach wohl ausschließen«, warf Vogt beiläufig ein.
Lena tauschte einen verhaltenen Blick mit Belling.
»Was ist mit der DNA -Analyse?«, fragte Drescher und schob seine Brille mit dem Mittelfinger hoch.
»Sowohl der Abgleich der Fingerabdrücke in Maurers Wohnung als auch die sichergestellten DNA -Spuren haben bisher keinerlei Treffer ergeben«, erklärte Lucy weiter.
»Allerdings hat sich herausgestellt, dass die Zigaretten in der Küche nicht von Maurer selbst stammten.«
»Von jemandem, der sich, der Anzahl der Zigaretten nach, mindestens zwei, wenn nicht drei Stunden in ihrer Wohnung aufgehalten haben muss, selbst wenn derjenige starker Kettenraucher war«, kombinierte Belling. »Das weiß ich aus eigener Erfahrung.«
Drescher stieß
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