Seelenriss: Thriller
einen Seufzer aus und sprach aus, was Lena längst wusste: »Lynn Maurer ist nicht schnell gestorben, so viel steht fest.«
»Sonst noch etwas?«, fragte Drescher weiter.
»Kann man wohl sagen«, tat Lucy geheimnisvoll. Sie langte erneut in die Tasche, nahm zwei DIN -A4-Ausdrucke heraus und hielt sie ihm mit ausgestrecktem Arm entgegen. »Was Sie hier sehen, sind x-fache Vergrößerungen der Rückseiten beider Morddrohungen aus dem kriminaltechnischen Labor.« Sie pinnte die Ausdrucke an die Wand unter die Fotos von Lena und vom Opfer. »Die hier abgebildete Ziffer Zwei war mit dem bloßen Auge kaum sichtbar«, sprach sie in die Runde angespannter Gesichter und tippte auf den Ausdruck unter Maurers Foto. »Auffällig ist, dass bei Peters keine Ziffer vermerkt war.«
Lena hatte das Gefühl, dass sich ihr die Brust zuschnürte. Hätte sie demzufolge das erste Opfer sein sollen? Doch hätte auf der an sie gesandten Nachricht dann nicht die Ziffer Eins stehen müssen? Sie dachte scharf nach und gelangte zu der Überzeugung, dass eben diese fehlende Ziffer der Grund war, weshalb sie trotz Morddrohung noch am Leben war, anstatt mit einem Zettel am großen Zeh im Leichenschauhaus zu liegen. Im Umkehrschluss würde das jedoch bedeuten: Wenn die Ziffer Zwei tatsächlich für das zweite Opfer stand, dann musste es bereits einen weiteren Mord gegeben haben. Lena beschloss, ihre Theorie vorerst für sich zu behalten. »Lucy, wären Sie so nett, herauszufinden, ob es in letzter Zeit noch weitere angebliche Suizide in Folge eines Fenstersturzes gegeben hat?«
»Sicher«, meinte Lucy und machte sich eine Notiz.
Ein Räuspern wurde laut. »Hätte Peters den neuesten Erkenntnissen zufolge nicht besser daran getan, sich vorerst aus den Ermittlungen herauszuhalten?«, stellte Ben Vogt zur Diskussion. Er sprach über sie, als wäre sie nicht im Raum, und Lena wollte nicht glauben, dass er das wirklich gesagt hatte. Sie bemerkte, dass ihre Hände vor Wut zitterten.
Zu ihrem Entsetzen schien Drescher derselben Meinung zu sein wie Vogt. »Das ist korrekt. Ich werde Sie aus der Schusslinie nehmen«, erklärte der Dezernatsleiter an Lena gewandt. »Aufgrund der Morddrohung sind Sie persönlich in den Fall involviert.«
»Aber …« Lena starrte erst ihn, dann Vogt fassungslos an. So ein Bullshit! Sie öffnete den Mund, um zu widersprechen, doch Volker Drescher ließ nicht mit sich reden. »Verdammt, Peters – die Sache ist zu riskant! Ende der Diskussion.«
Dreschers Worte trafen sie wie ein Schlag in die Magengrube. Lena sah, wie Vogt ein gönnerhaftes Grinsen verbarg. Zum Teufel! Sie dachte gar nicht daran, sich geschlagen zu geben. »Das kommt überhaupt nicht in Frage!« Die Worte waren ihr lauter über die Lippen gegangen als beabsichtigt.
Drescher funkelte sie wütend an. »Ob es Ihnen nun gefällt oder nicht – ich kann Ihre Mitarbeit an diesem Fall nicht länger verantworten.«
Lena hielt seinem Blick stand. »Hören Sie, dieser Psychopath hat mich nicht ohne Grund ausgewählt, und ob es mir nun gefällt oder nicht, ich bin längst Teil seines perversen Plans.« Sie sah Drescher unverwandt in die Augen und zeigte mit ausgestreckter Hand zum Fenster. »Da draußen läuft ein brutaler Serienmörder herum, der womöglich systematisch eine Todesliste abarbeitet und höchstwahrscheinlich längst das nächste Opfer im Visier hat. Wenn Sie mich jetzt von dem Fall abziehen, gebe ich Ihnen Brief und Siegel darauf, dass Sie diese Bestie niemals fassen werden.« Lena und Drescher starrten einander an. Für einen Moment herrschte Totenstille. Lena sah förmlich, wie ihr Vorgesetzter mit sich haderte.
»Sie sind ganz schön zäh, was?«, knurrte er schließlich.
Lena rang sich ein Lächeln ab. »Schon möglich …«
»Na schön, Sie haben gewonnen«, brachte er zähneknirschend hervor. »Ich vertraue auf Ihre Einschätzung und werde dafür sorgen, dass Tag und Nacht jemand vor Ihrem Haus …«
»Lassen Sie es mich auf meine Weise machen«, hielt Lena dagegen. »Wenn es nicht funktioniert, dann …« Sie geriet ins Stammeln und suchte fieberhaft nach den richtigen Worten.
Da hielt Drescher drei Finger in die Höhe. »Sie haben drei Tage, Peters. Sollten wir den Kerl bis dahin nicht geschnappt haben, ziehe ich Sie von dem Fall ab.«
Lena atmete erleichtert aus. Sie hatte gehofft, dass er das sagen würde, und sah, wie Wulf Belling ihr zuzwinkerte. Ohne hinsehen zu müssen, wusste sie, dass Ben Vogt in diesem Moment die Augen
Weitere Kostenlose Bücher