Seelenriss: Thriller
die Glatze und zog die Mundwinkel herab. »Tut mir leid, nie gehört.«
Lena beobachtete seine Reaktionen kritisch und wog seine Antworten innerlich ab. Entscheidend war oftmals nicht, was jemand sagte, sondern wie derjenige es sagte.
»Ach wirklich?«, fragte Belling hörbar gereizt. »Wie kommt es dann, dass Ihre Visitenkarte in ihrem Makler-Büro gefunden wurde?«
Der Priester starrte Belling an. Plötzlich veränderte sich etwas in Sonnenbergs Ausdruck, und Lena meinte, eine Spur Nervosität darin zu erkennen.
»Ach, Lynn Maurer – die junge Maklerin meinen Sie? Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?« Er hob die Hände und ließ sie mit einem Klatschen wieder fallen.
Belling runzelte die Stirn. »Lynn Maurer ist gestern aus dem Fenster ihrer Wohnung gestürzt«, kam er gleich zur Sache.
Das Lächeln des Paters gefror, und sein Gesicht war mit einem Mal aschfahl geworden. »Gütiger Himmel.« Er sah Belling an, als stünde der Teufel höchstpersönlich vor ihm. »Ich, ich weiß nicht, was ich sagen soll … Gott hab sie selig.«
»Wir gehen inzwischen davon aus, dass es sich um Mord handelt«, fuhr Belling fort.
»Um Mord?« Sonnenberg schnappte entgeistert nach Luft, und Lena fragte sich, ob das kurze Aufflackern seiner Augen Betroffenheit oder Panik verriet.
»Aber, wer tut denn so etwas Schreckliches?«
»Wir hatten gehofft, Sie könnten uns weiterhelfen«, meinte Lena.
»Ich? Ja … das heißt, nein.« Er brachte ein gequältes Lächeln zustande, als sein Blick zu den beiden Messdienern schweifte, die in diesem Moment die Kirche betraten. »Kommen Sie«, sagte er schließlich und entschied, die Unterhaltung unter den gegebenen Umständen nun doch in seinem Büro fortzuführen.
Lena und Belling tauschten verhaltene Blicke, ehe sie ihm aus der Kirche hinaus zum Gemeindebüro folgten. Kurze Zeit später führte Sonnenberg sie über einen mit Neonröhren beleuchteten Korridor, in dem es nach altem Papier und Kaffeesatz roch, zu einem Zimmer ganz am Ende. Das Büro des Priesters war eher funktional eingerichtet und spartanischer, als Lena erwartet hatte. Ein Bücherregal, ein Schreibtisch, an der kargen Wand ein Ölgemälde, auf dem Pater Sonnenberg in einer weißen Robe mit Gebetbuch in der Hand verewigt war. Auf dem Schreibtisch stand ein in die Jahre gekommener Computer, daneben stapelten sich Aktenordner sowie Anmeldeformulare für Taufen, Trauungen und Beerdigungen. Die hereinfallende Mittagssonne hauchte dem Raum eine Spur von Wärme ein und ließ ihn nicht ganz so karg erscheinen.
Pater Sonnenberg deutete auf die beiden Stühle und nahm hinter dem Schreibtisch Platz. Der Stuhl, auf den Lena sich setzte, gab ein altersschwaches Knarzen von sich, als würde er unter ihren sechsundfünfzig Kilogramm jeden Moment zusammenbrechen. Sonnenberg strich seine Soutane glatt und stützte die Ellenbogen auf den Tisch auf. »Wie kommen Sie darauf, dass ausgerechnet ich Ihnen bei dieser tragischen Angelegenheit behilflich sein könnte?«
Wulf Belling, der den angebotenen Platz ignorierte und mit verschränkten Armen mitten im Raum stehen blieb, beantwortete die Frage des Priesters mit einer Gegenfrage: »Wie gut kannten Sie Lynn Maurer?«
»Gekannt wäre nun wirklich zu viel gesagt«, erzählte Sonnenberg. »Wie Sie wissen, war sie Maklerin – und ich, ich habe mich für eine Wohnung am Halleschen Tor interessiert. Das war alles.«
»Das ist ganz in der Nähe von Astor & Ronald Immobilien«, bemerkte Lena.
»Stimmt«, erwiderte Sonnenberg. Sein Ton war nun nicht mehr ganz so freundlich wie zu Beginn, und sein Lächeln war einer angespannten Miene gewichen. »Sie hat mir die Wohnung gezeigt.«
»Ist nicht gerade die beste Gegend«, sagte Belling und räusperte sich.
Sonnenberg blickte ihn an und verzog den Mund zu einer schmalen Linie. »Mit dem Gehalt eines Dieners Gottes sind meine Möglichkeiten begrenzt. Davon abgesehen, bin ich ein genügsamer Mensch – meines Erachtens wird Luxus in unserer Gesellschaft maßlos überschätzt.«
»Und, haben Sie die Wohnung genommen, die Maurer Ihnen vermitteln wollte?«, fragte Lena.
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Es hat sich etwas anderes ergeben«, erzählte Sonnenberg nach kurzem Zögern. »… am Savignyplatz.«
Belling stieß einen leisen Pfiff aus. »Schicke Gegend.« Die Abneigung, die er von Beginn an gegen den Priester gehegt hatte, war überdeutlich, und Lena sah ihm an, dass er kurz davor war, die Geduld zu verlieren.
Sonnenberg lehnte sich im
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