Seelenriss: Thriller
Stuhl zurück. »Der Herr hat es offenbar doch noch gut mit mir gemeint.«
»Wussten Sie, dass Lynn Maurer ein Kind erwartete?«, erkundigte sich Lena.
Verdutzt blickte der Pater auf. »Was? … Äh, nein.«
»Und von ihrer sexuellen Neigung?«, fragte Belling, woraufhin der Pater nur irritiert die Brauen zusammenzog: »Was meinen Sie damit?«
»Ach nichts, war nur so ein Gedanke«, ruderte Belling zurück und fragte: »Wo waren Sie gestern in der Zeit von vierzehn bis neunzehn Uhr?«
Der Pater rieb sich die Stirn. »Na, hier natürlich, wo sonst.«
»Die ganze Zeit über?«, hakte Belling nach.
Sonnenberg nickte bekräftigend, überlegte es sich dann aber doch noch einmal anders. »Das heißt … zwischendurch war ich mal kurz weg.«
»Was soll das heißen, weg ?«, fragte Belling, ihn mit seinen Blicken weiter taxierend.
»Ich war bei einem Gebrauchtwagenhändler, in Kreuzberg.« Und wie zur Erklärung schob er hinterher: »Ich will meinen alten Lieferwagen loswerden.«
Belling stieß einen genervten Seufzer aus. »Und hat dieser Gebrauchtwagenhändler zufälligerweise auch einen Namen?«
Der Priester nannte ihm Namen und Adresse des türkischen Händlers. Belling notierte sich alles.
»Wissen Sie noch, wann Sie Lynn Maurer zuletzt gesehen haben?«, übernahm Lena die Befragung.
»Lassen Sie mich mal sehen …« Pater Sonnenberg nahm einen dicken, in schwarzes Leder gebundenen Terminplaner zur Hand, befeuchtete mit der Zungenspitze den Zeigefinger und blätterte durch die Seiten, wobei Lena auffiel, dass sein Kalender erstaunlich voll war.
»Das war am siebenundzwanzigsten April«, stellte er fest und schlug den Terminplaner wieder zu.
Auf den Tag genau vier Wochen vor Lynn Maurers Ermordung , rechnete Lena zurück.
»Darf ich fragen, auf welche Art und Weise Lynn Maurer von uns gegangen ist?«, fragte der Pater.
»Wir vermuten, dass der Täter sie aus dem Fenster gestoßen hat. Außerdem hat er ihr das Gesicht verätzt«, erläuterte Lena. Sie legte die Betonung auf die letzten Worte, um ihnen mehr Gewicht zu verleihen und Sonnenbergs Reaktion zu beobachten.
Das Gesicht des Paters wurde todernst, und doch verriet seine Miene nichts, was in ihm vorging. »Das Gesicht verätzt …«, murmelte er abwesend und schien einen Moment lang darüber nachzudenken.
Belling platzte endgültig der Kragen: »Verdammt noch mal! Jetzt reicht’s mir aber mit Ihrem scheinheiligen Getue!«
Er sprang auf und stützte sich vor Sonnenberg auf dem Schreibtisch ab. »Los, raus mit der Sprache. Sie haben Lynn Maurer erpresst, deshalb hat sie Sie regelmäßig aufgesucht!«
Sonnenberg ballte die Hände zu Fäusten. »Was erlauben Sie sich!«
Doch Belling ließ nicht locker: »Warum verschweigen Sie uns, dass Sie nur wenige Tage vor Maurers Tod noch mit ihr telefoniert haben?«
Sonnenberg ließ seinem plötzlichen Gefühlsausbruch ein selbstzufriedenes Lächeln folgen. »Ganz einfach, Sie haben mich nicht danach gefragt.« Er faltete die Hände im Schoß und sagte den Satz mit einer Gelassenheit, die Belling rasend machte. »Eines würde mich allerdings interessieren …«, setzte Sonnenberg an.
Lena und Belling warteten darauf, dass er fortfuhr, als eine junge Büroangestellte zur Tür hereinkam. Sie hatte ein schmales Gesicht, lange schwarze Zöpfe und trug eine weiße Bluse und einen Faltenrock, der aussah, als stamme er aus einem vergangenen Jahrhundert.
»Oh, Entschuldigung.« Verschüchtert blieb sie im Türrahmen stehen, als sie sah, dass der Pater nicht allein war. »Ich wusste nicht, dass Sie …«
»Ist schon in Ordnung, Marla«, sagte Sonnenberg mit einer beschwichtigenden Geste.
Die Frau wurde rot. »Ich will Sie wirklich nicht stören, aber da ist jemand für Sie am Telefon.« Sie zeigte über ihre Schulter zum Nebenzimmer. »Er besteht darauf, mit Ihnen persönlich zu sprechen, und sagt, es sei dringend.«
Pater Sonnenberg fuhr im Stuhl zurück und hüstelte hinter vorgehaltener Hand, ehe er mit den Worten »Wenn Sie mich bitte kurz entschuldigen würden« den Raum verließ. Seinen Terminplaner nahm er mit.
Belling öffnete den Mund, aber Lena bedeutete ihm, es gut sein zu lassen. Immerhin hatten sie kaum etwas gegen Sonnenberg in der Hand. Dennoch wurde auch sie das Gefühl nicht los, dass dem Pater die Unterbrechung nur allzu gelegen kam.
Belling grummelte etwas in sich hinein und folgte Sonnenberg mit dem Blick zum Flur. »Dieser Priester lügt doch wie gedruckt!«, zischte er, kaum dass dieser
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