Seelenriss: Thriller
Lynn Maurer ein Kind erwartet?«
Belling schüttelte den Kopf. »Ist aus allen Wolken gefallen, als Vogt ihr davon erzählt hat. Mehr war nicht aus der Frau herauszukriegen.«
Was nicht sonderlich verwunderlich ist, wenn man bedenkt, dass ausgerechnet Ben Vogt die Frau befragt hat , dachte Lena, behielt ihre Überlegung aber für sich.
6
Die grelle Morgensonne schien ihm ins Gesicht, als Belling seinen Wagen keine zwanzig Minuten später im Herzen von Wilmersdorf abstellte und mit Lena Peters auf die Kirche zuging. Unwillkürlich musste er daran denken, wie Helena ihm in einer Kirche wie dieser das Jawort gegeben hatte. Inzwischen lag das fast drei Jahrzehnte zurück. Vieles hatte sich seither verändert, und Helena hatte sich vor rund einem halben Jahr von ihm scheiden lassen.
»Sie fehlt Ihnen noch immer sehr, was?«, fragte Lena, als habe sie seine Gedanken gelesen. Die Traurigkeit, die plötzlich in seinen Augen lag, hatte ihn verraten.
Belling trat seine Zigarette aus und tat ihre Frage mit einem lapidaren Schulterzucken ab. Tatsächlich vermisste er seine Exfrau mehr, als er es nach außen hin zugeben wollte. »Anderes Thema«, sagte er mit gedämpfter Stimme, lief die Stufen hinauf und hielt Lena die schwere Tür zur Kirche auf.
Lena ging schweigend voran. Sie hatte ihrem Kollegen nicht zu nahe treten wollen. Im Innern der Kirche war es angenehm kühl. Bunte Lichtstrahlen fielen durch die Bleiglasfenster, und eine Spur von Weihrauch lag in der staubigen Luft. Lena ließ ihren Blick über den Altar und die menschenleeren Sitzbänke schweifen, in denen lediglich eine alte Frau mit langem grauem Haar saß und sie misstrauisch beäugte.
»Das muss er sein«, raunte Belling und deutete mit dem Kopf auf den Priester in schwarzer Soutane, der in diesem Moment aus dem Beichtstuhl kam. Der Mann war ebenso hochgewachsen wie Belling, und Lena schätzte ihn auf Anfang fünfzig. Er hatte die Statur eines Sumo-Ringers, und die wenigen Haare waren von einem Scheitel aus quer über die schweißglänzende Halbglatze gekämmt. Belling marschierte zielstrebig auf ihn zu, und Lena folgte ihm mit zwei Schritten Abstand. Als sie an der alten Frau vorbeiging, die ganz außen saß, packte diese sie vollkommen unerwartet am Handgelenk und zog sie zu sich heran. »Der Teufel hat Besitz von ihm ergriffen, der Teufel!«, stieß sie leise ächzend aus.
Verstört hielt Lena inne. Sie stützte sich mit einer Hand an der Bank ab und beugte sich zu der Greisin herunter. »Von wem reden Sie da?«
Die Alte funkelte sie finster an. »Er sagt, ich soll meine Medikamente nehmen, aber ich nehme sie nicht … Nein, ich nehme sie nicht!«, zischte die Alte, ehe sie von Lena abließ. »Der Teufel, er ist der Teufel!«
Lena hatte keine Ahnung, wovon die Frau sprach. Sie sah fragend zu Belling hinüber. Er warf ihr einen unmissverständlichen Blick zu, der so viel hieß wie: »Na los, nun kommen Sie schon – wir haben keine Zeit zu verlieren!«
Als Lena sich erneut nach der Greisin umsah, war diese bereits im Begriff, die Kirche zu verlassen. Verwundert schüttelte Lena den Kopf und holte ihren Kollegen ein.
»Sind Sie Pater Sonnenberg?«, fragte Belling den Mann in der Kutte. Der Priester blieb stehen und lächelte ihnen freundlich zu. Er hatte tiefliegende Augen und zugleich einen so stechenden Blick, dass man das Gefühl hatte, er könne einem in die Seele schauen. »So ist es. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Mein Name ist Belling, Mordkommission.« Er zeigte ihm seinen Ausweis und deutete mit dem Kopf auf Lena. »Meine Kollegin, Kriminalpsychologin Lena Peters.«
Lena nickte dem Pater zu. »Kannten Sie die ältere Dame, die gerade hier gesessen hat?«
Sonnenberg starrte Lena einen Moment lang seltsam an, dann richtete er seinen Blick zum Ausgang. »Ach, die …« Er machte eine abwehrende Handbewegung. »Sie kommt hin und wieder zum Beten her und redet wirres Zeug, die arme Frau.« Milde lächelnd sah er abwechselnd zu Lena und Belling. »Aber Sie sind sicher nicht hergekommen, um mich über eine alte Dame auszufragen, oder?«
Belling schüttelte den Kopf und räusperte sich. »Könnten wir uns irgendwo unterhalten?«
Der Priester rührte sich nicht von der Stelle. »Ich habe keine Geheimnisse vor dem Herrn. Was gibt es denn so Dringendes, das wir nicht auch hier klären könnten?«
»Sagt Ihnen der Name Lynn Maurer etwas?«, fragte Belling geradeheraus.
»Maurer … Maurer …?« Sonnenberg fuhr sich nachdenklich über
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