Seelenriss: Thriller
außer Hörweite war. Dann nutzte er Sonnenbergs Abwesenheit, um sich in dessen Büro umzusehen. »Dieser Kerl weiß mehr, als er zugibt, und ich will wissen, was er uns verschweigt.«
»Was soll das werden?«, fragte Lena, als Belling die Schreibtischschublade aufzog und darin zu wühlen begann.
Belling grinste. »Ich sehe mich bloß ein bisschen um, das ist alles.« Er sagte das mit einer Selbstverständlichkeit, als hätte er einen Durchsuchungsbeschluss in der Tasche. »Nur, weil wir hier im Hause Gottes sind, ist das noch lange kein Grund, päpstlicher zu sein als der Papst«, schnaubte er und zeigte mit dem Finger auf das Ölgemälde an der Wand. »Ich werde schon noch beweisen, wer wirklich unter dieser sauberen Robe steckt!«
Verblüfft lächelte Lena. Ihr Kollege überraschte sie doch immer wieder. »Und wonach suchen Sie, wenn ich fragen darf?«
»Das weiß ich, wenn ich es gefunden habe.« Nachdem er im Schreibtisch nicht fündig geworden war, ging Belling hinüber zum Wandschrank und rüttelte an der Tür. »Abgeschlossen, so ein Mist!«
»Warten Sie …« Lena ging auf das verstaubte Bücherregal zu, in dem sich alte Gesangsbücher, Bibeln und theologische Abhandlungen aneinanderreihten. Sie fuhr mit dem Zeigefinger jene Stelle nach, an der die Staubschicht auf dem dunklen Holz weggewischt war, als wäre dort erst kürzlich ein Buch herausgezogen worden. Dem vollen Terminkalender des Paters nach zu urteilen, war das Buch sicher nicht aus dem Regal genommen worden, um bei einer gemütlichen Tasse Tee darin zu schmökern. Lena zog den dicken Wälzer heraus, und dahinter kam ein Schlüssel zum Vorschein, der, wie sie Momente später herausfanden, in das Schloss im Wandschrank passte.
»Nicht schlecht, Peters«, meinte Belling anerkennend und öffnete die Schranktür. Sie trauten ihren Augen kaum, als Belling im untersten Fach, hinter einer Reihe von Aktenordnern, einen Jutebeutel entdeckte, in dem sich bündelweise Bargeld befand.
»Das müssen an die fünfzigtausend Euro sein«, schätzte Lena und sah zu Belling auf. Auf einmal hörten sie, wie Sonnenberg zurückkam. Mit schnellen Handgriffen packte Belling alles wieder zurück in den Schrank, ließ in seiner Hast aber einen der Aktenordner fallen. Er hob ihn auf und schloss eilends den Schrank ab, doch Lena sollte nicht mehr dazu kommen, den Schlüssel rechtzeitig hinter das Buch zu legen. Als Sonnenberg den Raum betrat, blätterte sie scheinheilig in dem Wälzer, aber Sonnenberg ließ sich davon nicht täuschen.
»Was erlauben Sie sich! Sie haben kein Recht, mein Büro zu durchsuchen!« Er schritt auf Lena zu und riss ihr den Schlüssel aus der Hand.
Belling stellte sich mit verschränkten Armen vor ihn. »Vielleicht wollen Sie uns erklären, wie Sie – ich zitiere – mit dem Gehalt eines Dieners Gottes zu so viel Bargeld kommen?«
Doch der Priester dachte gar nicht daran, sich von ihm einschüchtern zu lassen. »Das sage ich Ihnen, wenn Sie mit einem gültigen Durchsuchungsbeschluss wiederkommen.« Die Überheblichkeit in seinem Tonfall war nicht zu überhören. »Und jetzt verlassen Sie auf der Stelle mein Büro!«
Lena wusste ebenso gut wie Belling, dass sie keine andere Wahl hatten, als Sonnenbergs Aufforderung Folge zu leisten. Daher signalisierte sie ihrem Kollegen, dass es an der Zeit war, zu verschwinden. Sie ging voran und wartete im Flur darauf, dass er ihr folgte.
Doch Belling rührte sich nicht vom Fleck. »Verdammt, was verschweigen Sie uns? Was wissen Sie über Lynn Maurer?«
Sonnenberg ließ seinen Richtung Tür ausgestreckten Arm sinken. »Das können wir gerne im Beisein meines Anwalts besprechen.«
Belling warf ihm einen warnenden Blick zu und tätschelte ihm die Schulter. »Verlassen Sie sich drauf, Sonnenberg, wir sehen uns schneller wieder, als Sie das Vaterunser aufgesagt haben – sei es nun mit oder ohne Durchsuchungsbeschluss«, raunte er dem Priester beim Verlassen des Büros zu. An der Türschwelle drehte er sich noch einmal um. »Und sollte ich herausfinden, dass Sie mit dem Mord an Lynn Maurer etwas zu tun haben oder uns ermittlungsrelevante Informationen vorenthalten« – er zog Luft durch die Zähne ein –, »dann gnade Ihnen Gott.«
»Drohen Sie mir etwa?«
Belling verzog die Lippen zu einer dünnen Linie. »Ich warne Sie bloß, das ist alles. Guten Tag.«
7
Zwanzig Minuten später …
In HAKIM ’s Imbiss war es heute leerer als sonst, was Ahmed, der Sohn des Inhabers, darauf zurückführte, dass
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