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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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gesehen werden konnte. Dorthin zog ich die Teakholzsonnenliege und machte es mir bequem. Der Schlafzimmerblick ging genau hinunter auf die Stadt, die, hinter ein paar Hügeln versteckt, einen Lichtkegel bildete. Durch einen Einschnitt waren sogar die beiden Türme des AKH zu sehen, umgeben von einer Myriade an orangefarbenen Lichtpunkten. Die Stadt war keine zehn Kilometer entfernt und doch schien hier draußen eine andere Welt zu sein, spießig zwar, aber doch ganz nett.
    Ich schätzte, dass Kurti jetzt wieder durch die Hecke gekrochen war, und schickte Greg eine SMS.
    »Sind im Chelsea, schon ziemlich fett, komm uns holen.«
    Dann legte ich die Füße hoch und schaute in den Sternenhimmel hinauf. Ein paar Minuten später hörte ich leise ein Auto den Exelberg herunterkommen. Etwas unter dem Haus, vielleicht 250 Meter, blieb es kurz stehen, das Türenknallen war vielleicht nur eine Einbildung meinerseits, und es fuhr weiter. Gutes Auto, kaum zu hören.
    Was hätte ich jetzt nicht für eine Kanne, ach was, für eine Schale guten Tees gegeben. Ein bisschen Musik dazu oder ein gutes Buch, und es wäre richtig gemütlich geworden. Aber das ging nicht. Tee hatte ich keinen dabei und Musik verbot sich von selbst, schließlich musste ich hören können, wenn Kana heimkam. Musik ging nicht, also erfreute ich mich an der Sphärenharmonie der Gestirne. Dem Chinesen aus Königsberg flößten das Sittengesetz in uns und der gestirnte Himmel über uns immer die größte Ehrfurcht ein. Mit dem Sittengesetz hab’ ichs nicht so, aber der Sternenhimmel ist wirklich cool.
    Die Julinächte sind kurz, die Sonne verschwindet nie tief unter dem Horizont, daher braucht man für den Sternenhimmel wirklich eine klare Nacht, und die hatte ich. Am Nachmittag hatte es geregnet und danach war es zu schnell dunkel geworden, so dass sich noch wenig Wasserdampf in der Luft befand.
    Wenn man gegen Mitternacht zum Himmel blickt, versinken die Frühlingsbilder mit Löwe und Jungfrau gerade am westlichen Horizont. Ganz tief im Osten dagegen geht mit Pegasus bereits das Erste der Herbstbilder auf, mit der schönen Andromeda im Gefolge. Doch direkt vor mir lagen hoch am Südhimmel die Sommerbilder und das breite Band der Milchstraße. In sehr klaren Nächten ist im Sommer die Milchstraße deutlich zu sehen. Sie steigt im Süden von den Sternbildern Skorpion und Schütze fast senkrecht nach oben, durch den Schlangenträger, vorbei an Leier und Schwan über Kassiopeia bis zum Sternbild Perseus im äußersten Nordosten. Der Skorpion steigt nie zur Gänze über den Horizont, aber sein Kopf, der Stachel und der riesige rote Antares sind immer zu sehen. Und das Sommerdreieck, das sogar schon in der Dämmerung sichtbar wird, das Hellste aller Bilder, mit dem Atair als Südspitze war ebenfalls deutlich auszumachen. Atair ist ein Stern im Bild des Adlers, des Vogels des Göttervaters. Kommt in diesem Fall aus dem Arabischen, wo ›al tair‹ so viel bedeutet wie der Herabstürzende.
    Ich vertrieb mir die Zeit damit, all die alten Sagen durchzugehen, die da am Sommerhimmel standen. So verging die Zeit recht schnell, vor allem, als ich mich an die Gelegenheiten erinnerte, bei denen Sternenwissen wirklich brauchbar war. Einmal hatte ich einer Schönheit an der Copa Kagrana das Kreuz des Südens gezeigt. Was sie mir daraufhin gezeigt hatte, war auch nicht von schlechten Eltern gewesen. Ich lächelte bei der Erinnerung, da hörte ich einen schweren Wagen die Exelbergstraße heraufkommen. Es war so weit.
    Der Wagen kam die Auffahrt herauf, ein Mann mit kichernder Begleitung stieg aus. Danach wurde der Wagen in der Garage geparkt. Neben dem Mann im Wohnzimmer vor dem Fernseher, sicherlich noch ein weiterer und die zwei Personen. Das war ganz schön viel Betrieb für meinen Irrsinnsplan. Ich biss die Zähne aufeinander. An der Situation ließ sich nichts mehr ändern. Im schlimmsten Fall musste ich einfach still und leise die Regenrinne neben dem Balkon hinunterklettern. Was sicher auch böse ins Auge gehen könnte. So was funktioniert normalerweise nie. Andererseits hatte Kurti den Tresor mit einem Stethoskop geknackt, vielleicht war ja heute die Nacht des Unfugs, die Nacht, in der alles möglich war.
    Keine zehn Minuten später ging der Rummel im Schlafzimmer los. Kana schenkte sich nichts. Das klang nach jeder Menge Koks und ein paar kleinen blauen Pillen. Außerdem schien es gar kein Ende mehr nehmen zu wollen. Schließlich, nach einem Tutti, das aus der

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