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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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»Phantastique« von Berlioz hätte stammen können, kehrte im Schlafzimmer Ruhe ein. Ich holte die Knarre raus und machte mich bereit für meinen großen Auftritt. Leise erhob ich mich und schlich zur Tür. Drinnen war alles mucksmäuschenstill. Nur mein Herz schlug so laut, dass es bis nach Gramatneusiedl zu hören sein musste. Zweimal wischte ich mir die Hände an den Hosenbeinen trocken, denn mit glitschigen Fingern sollte man keine geladene Waffe anfassen. Da schießt man sich ganz schnell ein paar Zehen weg, und ohne Zehen kann man nicht mal mehr davonlaufen. Bis ich merkte, dass ich ja die Plastikhandschuhe trug. Es quatschte ungemütlich da drin. Aber ausziehen war auch nicht so klug.
    Vor der Tür stehend, raffte ich mein bisschen Mut zusammen, packte obendrauf eine riesige Sahnekrone Irrwitz und legte die Hand an den Knauf der Balkontür. Da begann drinnen ein leises Gespräch. Ich lauschte. Das war ein willkommener Aufschub. Vor zwei Stunden hatte mein Plan noch gut geklungen. Jetzt war ich mir da nicht mehr so sicher. Mir war jede Verzögerung recht. Das Gespräch hatte leise begonnen, Typus geflüsterte Bettzärtlichkeiten, bei denen ich kein Wort verstand. Schließlich war es ein wenig lauter geworden. Nach ein paar Sätzen begann das Mädchen, die Lautstärke raufzuschrauben. Was sich schon vorher angedeutet hatte, bewahrheitete sich: Sie hatte kräftige Lungen. Kana versuchte, ruhig und besonnen zu bleiben.
    »Was haast, i kann net über die Nacht bleibn?«
    »Ich muss morgen früh raus und zu Hause kannst du …«
    »Scheiße. Jetzt hast dein Spaß ghabt und dann haust mi raus.«
    »Meine Leute werden dich heimfahren, morgen ruf ich dich an und wir gehen schön …«
    »Scheiße, nein. Sicher net.« Bei den Worten war sie aus dem Bett gesprungen. Auch Kana stand auf.
    »Hör zu, Iris, es ist wirklich nur mein Fehler, bitte …«
    »Greif mi net an, du Scheißer.«
    Es klatschte laut. Sie hatte ihm eine geschmiert. Das Mädchen war mir echt sympathisch. Dann war ein lautes Krachen zu hören, ein Stuhl fiel um, offenbar war sie ihn angesprungen. Kana brüllte wie ein Stier. Ich linste durch das Fenster hinein, sah die beiden im Dunkeln am Boden liegen, sie auf ihm. Ihre Hände lagen auf seinem Gesicht, während er sie wegdrücken wollte. Hoffentlich hatte sie starke Nägel, solche Narben konnten ganz schön übel sein. Kana brüllte vielleicht erst zehn Sekunden, da flog schon die Tür auf und die zwei Muskelberge kamen herein. Einer schaltete das Licht an, der andere zog das Mädchen von Kana runter. Ich drückte mich wieder in den Schatten. Jetzt konnte ich wieder nur zuhören.
    Es begann ein Tumult, aber die beiden Leibwächter waren zu stark, nach einer Minute beruhigte sich die Situation.
    »Schauts, dass sie sich anzieht, dann fahrt’s sie heim. Ich will keine Grauslichkeiten.«
    »Wer bleibt da, Cheffe? Der Nevan fehlt uns jetzt«, fragte einer der Anabolikatypen. Er war Serbe.
    »Der war so ein Trottel, der hätt eh nix gnützt. Für die Stund, die ihr brauchts, is des kein Problem.«
    »Wenn meinen, Cheffe.«
    »Aber was machen mit Gesicht? Sollen wir nicht Arzt fahren?«
    »Brauchts net, i pick ma a Pflaster drauf und geh morgen.«
    »Is gutt.«
    Kana verließ den Raum, die anderen folgten ein paar Minuten später. Als der Wagen gestartet wurde und wegfuhr, schlich ich mich wieder ins Schlafzimmer zurück. Von dort hinaus auf den Flur. Ich warf einen Blick in das andere Zimmer. Badewanne, Alibert und Waschbecken, ein WC und ein Bidet. Dort war Kana nicht. Also die Treppe hinunter und vor die Wohnzimmertür, die aus schöner dunkler Eiche bestand, feine Tür. Sie war angelehnt und ich linste hinein. Das Wohnzimmer hatte den Grundriss eines liegenden L. Im Knick befand sich meine Tür, am Ende des langen Balkens die in die Küche. Den kurzen Balken schloss ein Fenster ab, das die ganze Wand einnahm. Der Raum maß etwa 85 Quadratmeter, schätzte ich. Können aber auch ein paar mehr gewesen sein. Die restlichen Wände waren mit Bücherregalen bestanden, ein paar Pflanzen gab es auch, sowie einen Schreibtisch. Alles wirkte bieder und gemütlich, wahrscheinlich hatte Kana es möbliert übernommen. Er selbst stand mit dem Rücken zu mir, hielt was in der Hand und schaute zum Fenster raus. Da herinnen ein wenig Licht brannte, war draußen nichts zu sehen. Kana schaute sich selbst ins Gesicht. Im Wohnzimmer musste eine altmodische Uhr hängen. Ihr Ticken war das einzige Geräusch im Haus. Ich

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