Seelensplitter - Marionette des Schicksals (German Edition)
Was?“,
protestierte Jonathan, Fassungslosigkeit schwang in seiner hellen
Stimme mit. „Achso? Was ist los mit dir? Kein „das kann
nicht sein“? Du hörst mir einfach zu und bist damit
einverstanden? Geht es dir gut?“
„ Damit will ich
nicht sagen, dass ich eure Meinung teile“, fuhr Melica fort und
ließ sich nicht anmerken, ob sie Jonathans Worte gehört
hatte oder nicht. „Die Zukunft der gesamten Welt soll schon
feststehen? Das glaube ich nicht. Ich denke, dass jede unserer
Entscheidungen Auswirkungen auf unser und das Leben anderer hat.
Auswirkungen, die man einfach nicht voraussagen kann. Wir haben
keinen freien Willen? Da bin ich anderer Meinung.“
Als Jonathan den Mund
aufriss, hob sie die Hand. „Ich kann jedoch durchaus verstehen,
warum ihr so denkt. Es ist viel einfacher, nicht wahr? Wenn ihr einen
Fehler macht, habt ihr so immer die Möglichkeit, es auf das
Schicksal zu schieben. Ihr könnt behaupten, es wäre nicht
eure schuld gewesen und dass ihr so hättet reagieren müssen.
Ja, Jonathan. Ich kann euch wirklich verstehen.“
„ So war das nicht-“
„ Lass es gut sein,
Jonathan“, warf Gregor ein. Der alte Mann blickte den
Angesprochenen dabei nicht an, sondern fixierte Melica mit einem
seltsamen Ausdruck in den grünen Augen. „Ich werde nicht
versuchen, Ihre Meinung ändern zu wollen. Es wäre ohnehin
aussichtslos, denn Sie besitzen offensichtlich die gleiche Sturheit,
die auch Ihr Onkel verkörpert. Stefan lässt sich ebenfalls
nicht davon überzeugen, dass der Lebensweg eines jeden Wesens
schon lange beschrieben worden ist. Auch er ist der felsenfesten
Überzeugung, man könne selbst entscheiden, wie man
handelt.“
Während er sprach,
wurde sein Blick dermaßen intensiv, dass Melica den Kopf senken
musste.
„ Wie haben
eigentlich Dämonen von dieser Prophezeiung erfahren?“,
fragte sie mit einem Mal.
Aus den Augenwinkeln sah
sie Gregor leicht lächeln. „Wie es der Zufall wollte, war
ich derjenige, der Ruths Worte vernahm und niederschrieb.“
Zufall? Ungläubig
starrte Melica ihn an. „Sie waren dabei, als die Prophezeiung
gesprochen worden ist? Zufällig?“ Sie wusste, dass man den
Unglauben in ihrer Stimme hören konnte. Doch es war ihr egal.
Sie mochte Gregor ohnehin nicht – warum sollte sie da
verstecken, dass sie seine Erzählung für eine Lüge
hielt?
„ Ja, ich war dabei.
Zufällig“, betonte Gregor und wenn sich Melica nicht ganz
stark täuschte, klang er mehr als nur ärgerlich.
„ War sonst noch
irgendjemand dabei?“
„ Wollen Sie damit
irgendetwas andeuten, meine Liebe?“
„ Nein. Eigentlich
nicht“, antwortete Melica und schenkte ihm ein unschuldiges
Lächeln. Dann warf sie Jonathan einen fragenden Blick zu,
sorgsam darauf bedacht, dass Gregor jede ihrer Bewegungen gut sehen
konnte. „Habt ihr überprüft, ob Ruth auch wirklich
etwas davon weiß?“
Ein leichtes Triumphgefühl
stieg in ihr auf, als sich Gregors Gesicht noch weiter verfinsterte.
Es schwand jedoch sofort, als Jonathan sie hart an der Schulter
packte. „Melica verdammt! Ist dir klar, was genau du da sagst?“
Sein Griff tat weh. Wütend
zog Melica die Augenbrauen zusammen. „Nimm‘ sofort deine
Finger da weg!“, zischte sie verärgert.
„Selbstverständlich weiß ich, was ich sage! Ich
wollte nur sichergehen, dass ihr keinem Betrüger auf den Leim-“
„ Ich bin nicht der
einzige, der Ruth in dieser Nacht beim Sprechen zugehört hat“,
fiel Gregor ihr hart ins Wort. „Ruths kleine Schwester Selena
ist ebenfalls dort gewesen.“
„ Kleine Schwester?“,
wiederholte Melica stirnrunzelnd. „Was haben Sie denn mit zwei
Schwestern mitten in der Nacht ge-“ Sie unterbrach sich selbst.
„In Ordnung, das geht mich natürlich nichts an. Ich…würde
es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich einmal mit dieser Selena reden
würde?“ Es war nicht so, dass sie Gregor in dieser
Hinsicht nicht vertraute. Nicht einmal er würde so vielen
Dämonen und auch Menschen solche Hoffnung machen, wenn er sie
nicht auch erfüllen könnte. Die Schattenkrieger vertrauten
auf die Prophezeiung. Die gute Seite würde einen herben
Rückschlag erleiden, sollte sich herausstellen, dass keine drei
Auserwählten existierten, die die Welt retten würden. Nein,
so verlogen konnte man einfach nicht sein. Warum sie sonst mit Selena
sprechen wollte? Melica hatte nicht den Hauch einer Ahnung. Doch
irgendetwas, ganz tief in ihr, sagte ihr, dass dieses Gespräch
wichtig war, dass es ihr Leben verändern konnte
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