Seelensplitter - Marionette des Schicksals (German Edition)
und blickte Jonathan auffordernd an.
Dieser räusperte sich
erst einmal ausdrucksstark, bevor er zu sprechen begann: „Du
kannst dir nicht vorstellen, wie viele Bücher es gibt, die von
Dämonen handeln. Es sind unzählige. Doch in keinem steht
auch nur irgendeine Information darüber, was passiert, wenn wir
eine Hexe verwandeln. Es ist ein Wunder, dass ich überhaupt
irgendetwas gefunden habe.“
„ Du kannst jetzt
aufhören, dich selbst zu loben. Ich habe schon verstanden, dass
du absolut großartig bist“, erklärte Melica und
grinste spöttisch. „Eine Sache habe ich aber nicht
verstanden. Es gibt wirklich Bücher über solche Themen?“
Jonathan warf ihr erst
einen beleidigten und dann einen verwunderten Blick zu. „Du
hast doch nicht wirklich geglaubt, nur Menschen wären in der
Lage, Bücher zu schreiben? Auch Dämonen haben im Laufe der
Jahrtausende Hunderte von Büchern verfasst, über uns,
unsere Geschichte, aber auch Romane oder Gedichte. Es gibt sogar
ganze Buchhandlungen mit unserer Literatur, auch, wenn sich diese aus
naheliegenden Gründen nur im Untergrund befinden.“
Da Melica keine Antwort
gab, sondern nur verblüfft schwieg, ergriff Gregor erneut das
Wort: „Wenn Sie schon diese Tatsache erstaunt, dann werden Sie
über das, was Jonathan in Erfahrung gebracht hat, ja geradezu
schockiert sein.“
Es mochte ja sein, dass
Melica eine von Natur aus sehr neugierige Person war, aber diese
offensichtliche Aufmerksamkeitsheischerei ging ihr auf die Nerven.
Sie seufzte leise. „Schießen Sie los.“
Gregor war von ihrer nicht
vorhandenen Begeisterung sichtlich enttäuscht. Mit einem
leichten Kopfschütteln klappte er eines der vielen Bücher
auf, die quer verstreut vor ihm auf dem Schreibtisch lagen. Er
brauchte nicht lange, um die richtige Seite zu finden. Als er es
schließlich zu Melica herüberschob, lag ein abwartendes
Lächeln auf seinen Lippen.
Melica lehnte sich etwas
nach vorne, um einen Blick auf die geschwungene Schrift werfen zu
können. Das Buch war handgeschrieben. Erstaunt begann Melica den
Abschnitt zu lesen, der sorgfältig mit einem feinen Bleistift
umrandet worden war: Das Wesen eines Dämons ist niemals
unvollständig und lässt sich nicht niemals unterwerfen. Das war alles.
Verständnislos hob
Melica den Kopf. „Und?“
„ Das bedeutet, dass
du ein Dämon bist“, erklärte Jonathan ihr eifrig.
Melica nickte langsam.
„Und?“, wiederholte sie leise.
Nach Jonathans und Gregors
enttäuschten Mienen zu schließen, hatten sie sich eine
andere Reaktion erhofft. „Das bedeutet, dass nichts dagegen
spricht, dass du nicht doch eine der Auserwählten bist“,
sagte Jonathan langsam.
Melica verzog das Gesicht.
Schon wieder diese dämliche Prophezeiung! Warum verstanden die
nicht endlich, dass es so etwas gar nicht gab? Einzig und allein ihr
Versprechen vor einigen Wochen hielt sie davon ab, ihre Gedanken laut
auszusprechen. Sie hatte schließlich geschworen, über
alles, was ihr erzählt wurde, zuerst nachzudenken, bevor sie es
für verrückt und falsch erklärte. Sie musste ihre
Gedanken aber gar nicht aussprechen.
So wie es schien hatte
Gregor sie erraten. „Sie glauben nicht an die Prophezeiung?“
Melica lächelte
leicht. „Ich glaube generell nicht an Dinge, die man mir nicht
beweisen kann.“
Gregors Augen richteten
sich wie brennender Stahl direkt auf ihr Gesicht. „Demzufolge
glauben Sie auch nicht an Gott.“
„ Das habe ich nie
behauptet“, wehrte Melica ab.
„ Indirekt haben Sie
genau dies getan. Entschuldigen Sie bitte. Ich hätte Ihnen diese
Frage nicht stellen dürfen. Ich habe nur versucht, Ihnen zu
zeigen, welchen Wert die Prophezeiungen in unserem Leben einnehmen.
Es mag sein, dass wir Ihnen die Echtheit von Prophezeiungen niemals
beweisen können, doch Sie sollten über alle Fakten
informiert sein. Die Prophezeiung über die drei Auserwählten
ist nicht die erste Prophezeiung, die jemals gemacht worden ist und
sie wird auch nicht die letzte sein. Und soll ich Ihnen einmal etwas
verraten? Bis heute ist mir kein einziger Fall bekannt, in dem sich
eine Prophezeiung nicht erfüllt hat.“
Wenn man bedachte, wie
steinalt Gregor sein musste, bedeutete dies wohl eine ganze Menge.
Vorausgesetzt natürlich, er sagte die Wahrheit. Als Melica
jedoch auch nach einiger Zeit des Nachdenkens kein Grund einfiel,
warum er sie belügen sollte und Gregors Gesicht auch völlig
ehrlich wirkte, murmelte sie: „Es könnten auch Zufälle
gewesen sein.“
Jonathan
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