Seelensplitter - Unsterblich wider Willen (German Edition)
verstört anstarren. Also entweder Jonathan war ein atemberaubender Marathonläufer oder unglaubliche Schnelligkeit war ein weiterer Vorteil des Dämonendaseins. Im Moment tendierte sie eher zur zweiten Möglichkeit.
Sie nahm kaum wahr, dass Jonathan ihr den Spiegel sanft in die Hand drückte und sie verwirrt ansah.
„Hast du irgendetwas?“
Erst durch seine Stimme wurde sie zurück in die Realität gerissen. Melica spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen schoss und schüttelte leicht den Kopf.
Jonathan musterte sie fasziniert. „Menschen sind wirklich merkwürdig.“
„Das sagt ja genau der Richtige“, grummelte sie, bevor sie ihren ganzen Mut zusammennahm und einen Blick in den Spiegel riskierte. Sie sah aus wie immer. Nur anders. Das mochte vielleicht unlogisch klingen, aber irgendwie war es dennoch die Wahrheit. Ihre Nase war noch immer zu spitz, ihre Wangenknochen noch immer zu hervorstechend, ihre Augen noch immer blaugrün und ihre Haare noch immer haselnussbraun.
Und doch – irgendetwas war anders, nicht auf den ersten Blick sichtbar und doch zweifellos vorhanden. Melica kam einfach nicht darauf, was es war. Aber sie musste Jonathan Recht geben: irgendwie sah sie tatsächlich älter aus als 17. Melica seufzte leise. Ihre Gedanken ergaben nicht einmal für sie selbst Sinn…
„Es könnte sein, dass durch deine plötzliche Verwandlung zu viele Hormone ausgeschüttet worden sind. Das würde zumindest erklären, warum du älter aussiehst als du wirklich bist“, sagte Jonathan mit einem Mal. „An den Hormonen liegt übrigens auch deine seltsame Untergebenheit am Anfang deiner Verwandlung. Manchmal fühlen sich junge Dämonen derartig von anderen angezogen, dass sie alles für sie tun würden.“
Es fiel ihr nicht leicht, ihren Blick vom Spiegel zu lösen, doch irgendwie schaffte sie es. Fragend starrte sie Jonathan an. „Ist das denn normal?“
„Nichts von dem, was hier mit dir passiert, ist normal“, sagte Jonathan ruhig. „Aber es ist auch nichts Besonderes.“
Anscheinend war sie nicht die einzige, die Dinge von sich gab, die nüchtern betrachtet einfach unlogisch waren.
Melica ließ den Spiegel sinken und legte ihn vorsichtig neben sich. Dann seufzte sie leise. „Hast du nicht gerade noch gesagt, du wärest bereits als Dämon geboren worden? Wenn wir nicht altern – ist das nicht irgendwie widersprüchlich?“
Jonathan fuhr sich nachdenklich durchs Haar. „Vielleicht war das etwas unglücklich formuliert. Wir sind Menschen, wenn wir geboren werden. Doch mit der Zeit erreicht ein jeder von uns den Punkt, an dem er sich sicher ist, dass er von nun an nicht mehr älter werden möchte. Und dann altert er auch nicht mehr.“
„Automatisch?“
„Automatisch.“
Melica musterte ihn schweigend, bevor sie langsam den Kopf schüttelte. „Ich finde das alles hier immer noch vollkommen verrückt. Aber auf irgendeine recht merkwürdige Art und Weise ergibt das sogar Sinn. In Ordnung, Jonathan. Ich werde versuchen, das, was du mir erzählst, ernst zu nehmen. Irgendwie – auch, wenn es mir schwerfällt.“
„Dir bleibt auch keine andere Wahl, als es zu akzeptieren“, erwiderte Jonathan und wandte den Kopf ab. Nachdenklich richtete er seinen Blick aus dem Fenster. „Dämonen werden nicht grundlos gefürchtet.“ Seine Stimme wurde leiser, fast unmöglich zu verstehen. „Wir sind nicht gut, Melica. Um überleben zu können, müssen wir töten. Wir Dämonen ernähren uns von Seelen wie Vampire von Blut. Wir saugen unsere Opfer aus, auf eine Art und Weise, die du bereits kennen wirst.“
„Durch den Mund“, murmelte Melica, als ihr ein kalter Schauer über den Rücken lief. „Also…das, was es aus mir herausgesaugt hat…anfangs – das, das war meine Seele?“
Jonathan nickte nur leicht.
Gequält schloss Melica die Augen. „Es wollte mich umbringen?“
„Ich denke schon. Aber eigentlich ist das nebensächlich. Das einzige, was zählt, ist doch, dass es dich verwandelt hat. Und damit hat es dir etwas geschenkt, das es in keinem Geschäft und für kein Geld der Welt zu kaufen gibt: Unsterblichkeit.“ Er verstummte kurz. „Doch obwohl Dämonen unsterblich sind, gibt es einige Möglichkeiten, sie zu töten. Viele der Menschen, die an uns glauben, gehen davon aus, dass wir bei Sonnenlicht verbrennen, was um ehrlich zu sein, ziemlicher Schwachsinn ist. Sonnenlicht schadet uns in etwa genauso viel wie Regen oder Schnee – nämlich gar nicht. Kreuze und Kirchen sind vollkommen in
Weitere Kostenlose Bücher