Seelensplitter - Unsterblich wider Willen (German Edition)
Daran glaubte Melica ganz fest. Dort neben ihr musste einfach jemand liegen. Jemand starkes, der im Sekundentakt versuchte, ihr mit einem kleinen Hammer den Hinterkopf einzuschlagen. Dass er es bisher noch nicht geschafft hatte, war das einzig Positive an ihrer Situation.
Ihr war noch immer nichts eingefallen, was sie Paula erzählen könnte. Die Wahrheit wäre mit Sicherheit die falsche Wahl. So aufgeschlossen ihre Schwester auch sein mochte – an Dämonen, die seit Ewigkeiten verborgen unter Menschen lebten, würde selbst sie nicht glauben. Doch Paula war noch ihr kleinstes Problem.
Was würde passieren, wenn Jonathan sie fand? Würde er sie wieder mitnehmen? Oder sie womöglich gleich umbringen? Melica konnte sich nicht vorstellen, dass er allzu begeistert davon war, dass sie ihm ihre Faust ins Gesicht gerammt hatte. Wenigstens hatte sie seine Frisur nicht zerstört…
Melica seufzte leise und drehte sich auf die andere Seite. Sie wusste selbst nicht, warum sie überhaupt noch versuchte, einzuschlafen. War die Tatsache, dass sie sich schon seit vielen Stunden unruhig hin und herwarf nicht Beweis genug, dass sie es nicht schaffen würde? Sie war ja noch nicht einmal wirklich müde! Die Angst und die Verwirrung, die ihren Körper beherrschten, hatten alle Erschöpfung vertrieben und sie fühlte sich so aufgekratzt wie schon lange nicht mehr.
Warum sollte ihr Vater nicht in ihre Nähe kommen? Was wusste Liv, was sie nicht wusste? Und Jonathan? Was hatte er nur gemeint mit seinem Gerede, sie könnte die sein, auf die er gewartet hatte? Bisher hatte sie jeden Gedanken daran zur Seite geschoben, aber jetzt kehrte jede seiner Andeutungen zurück und schlug ihr brutal ist Gesicht. Warum hatte sie nicht einfach nachgefragt? Obwohl sie ja irgendwie bezweifelte, dass er überhaupt darauf geantwortet hätte - sie hätte es zumindest versuchen müssen! „Vielleicht bist du es tatsächlich…“
„Was meinst du damit, sie stand einfach vor der Tür? Hat sie denn nichts gesagt?“
Melica erstarrte, als die leise Stimme ihres Vaters ihr Ohr erreichte. Er war also schon da…
Sie wusste, dass ihr Verhalten absolut lächerlich war. Sie konnte sich doch nicht wirklich noch immer vor ihm fürchten? Er hatte ihr doch noch nie etwas getan, hatte ihr nur immer das Gefühl gegeben, alles, was sie berührte, vollkommen zu zerstören! Warum zitterte sie trotzdem vor Angst?
Sie war tot – was sollte ich also noch groß passieren?
„Nein, Frank“, entgegnete ihre Mutter und Melica meinte, eine Spur Ärger in ihrer Stimme zu hören. „Sie stand einfach da.“
„Und du hast nicht gefragt?“
„Meine Tochter war gerade zurückgekommen! Gesund! Da hatte ich doch wohl ganz andere Dinge im Kopf! Was interessiert mich, wie sie flüchten konnte, solange es ihr nur gut geht? Du kannst sie ja selbst fragen!“
Die Tür zu ihrem Zimmer flog auf.
Melica hob müde eine Augenbraue, als sie ihren Vater ins Zimmer poltern sah. „Überraschung!“, murmelte sie ironisch und setzte sich auf. „Da bin ich wieder.“
Frank starrte sie wie vom Donner gerührt an.
Melica verdrehte die Augen. In Ordnung – das war der falsche Start für ein rührendes Wiedersehen gewesen.
Sie ließ ihrem Vater ein wenig Zeit, um sich zu sammeln, bevor sie ihm ein leichtes Lächeln schenkte. „Du siehst nicht so aus, als wärst du sonderlich froh darüber.“
Tatsächlich sah Frank im Moment nicht so aus, als wäre er auch nur irgendwann einmal über irgendetwas glücklich gewesen. Seine Augen wurden von dunklen Ringen überschattet, sein Hemd war ungebügelt und hing halb aus der Hose.
Doch Melica glaubte nach der Enttäuschung mit ihrer Mutter nicht mehr an Wunder. Sein ungewohnt ungepflegtes Aussehen lag mit Sicherheit nicht an ihrem Verschwinden. Wahrscheinlich war er nur so konfus, weil seine Fußballmannschaft ihr letztes Spiel verloren hatte.
„Was sagst du denn da, Melica?“, fragte er mit seltsam belegter Stimme. „Natürlich freue ich mich, dass du wieder hier bei uns bist! Was hätte ich denn tun sollen, wenn dir die Entführer irgendetwas angetan hätten?“ Seine Stimme wurde mit jedem Wort leiser, doch er machte keinerlei Anstalten, näherzukommen. Glück für Liv, dass ihr Vater noch nie der herzliche Typ gewesen war. „Ich könnte es nicht ertragen, dich auch noch zu verlieren.“
Melica war geschockt – ihr Vater offenbar auch, wenn man seiner überraschten Miene Glauben schenken wollte. Hatte er gerade wirklich angedeutet, sie
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