Seelensplitter - Unsterblich wider Willen (German Edition)
Denken her eh mehr Frau als Mann.“
Melica übersah Jims empörten Blick geflissentlich. „Lasst uns reingehen.“
~*~
Melica hatte es ihnen nicht erzählt.
Gut, dass sie diese ganze Dämonensache lieber für sich behielt, konnte ihr wohl wirklich niemand vorwerfen, doch dass sie ihre Abreise mit keinem Wort erwähnt hatte, würde Jim ihr wahrscheinlich niemals verzeihen.
Angelina hingegen würde sie verstehen, sie würde einsehen, dass es Melica einfach nicht gekonnt hatte. Es war der letzte Tag, den sie zusammen mit ihren Freunden hatte verbringen können und sie hatte die Stimmung einfach nicht derartig verderben können! Außerdem würden sie es ja noch früh genug erfahren…
Mit einem leisen Seufzen schloss sie die Eingangstür. Obwohl sie Angelina und Jim erst vor wenigen Minuten verabschiedet hatte, erschien ihr die Zeit, in der sie einsam in der Tür gestanden und in die dunkle Nacht geblickt hatte wie eine halbe Ewigkeit. In zwei Tagen würde sie fort sein.
Sie seufzte erneut, bevor sie sich langsam umdrehte und die Treppe zu ihrem Zimmer hinaufstieg.
Die Blicke ihres Vaters bohrten sich wie Pfeilspitzen in ihren Rücken, doch sie dachte gar nicht daran, umzudrehen. Frank sollte sehen, wie sehr sie litt, immerhin war es seine dumme Idee gewesen, sie wegzuschicken. Dass er sie in den letzten Stunden pausenlos beobachtet und sie damit schier wahnsinnig gemacht hatte, brachte ihm garantiert auch keine Sympathiepunkte ein.
Als sie die Tür zu ihrem Zimmer laut gegen die Wand schlagen ließ, sprang ihr das Blatt Papier auf ihrem Bett sofort ins Auge. Bildlich gesprochen, schließlich wären springende Zettel wirklich seltsam.
Neugierig hob Melica das Papier hoch. Sie kannte die Handschrift nicht. Aber dies geriet in Vergessenheit, als ihre Augen über das Papier huschten und Melica der Sinn aufging, der hinter den feingeschwungenen Worten stand.
„Früher oder später wird der Hunger kommen. Wir behalten dich im Auge.“
Jetzt wusste sie also, warum ihr diese Yvonne so seltsam vorgekommen war. Sie war eine von ihnen. Und diese ganze Schornsteinfegersache nur ein Weg, um Melica zu warnen.
Doch sie hätten sich die Mühe gar nicht machen müssen. Melica hatte es nicht vergessen, sie konnte es auch gar nicht. Irgendwann würde sie Hunger bekommen. Und dann hatte sie wirklich ein Problem.
~*~
Mit unbewegtem Gesicht starrte sie aus dem Fenster, sah Wiesen, Bäume und Häuser an sich vorbeischießen und wieder verschwinden. Melica würde lügen, wenn sie sagen müsste, dass sie auch nur etwas davon richtig wahrnahm.
„Mummy?“
Melica schloss die Augen, als sie Paulas Stimme hörte. Sie würde sie vermissen…
„Ja, Paula?“ Ihre Mutter drehte ihren Kopf in Richtung Rückbank, ein leichtes Lächeln auf den geschminkten Lippen.
„Ich hab Hunger!“
„Wir sind doch schon in ein paar Stunden da“, warf Frank ein, ohne den Blick von der Straße zu nehmen. „Dein Großvater wird sicher etwas zu essen im Haus haben.“
„Welches Haus?“ Spöttisch hob Melica die Augenbraue.
Ihre Mutter warf ihr einen scharfen Blick zu. „Benimm‘ dich. Du solltest dankbar sein, dass er sich überhaupt um dich kümmern möchte.“
„Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie dankbar ich bin“, versicherte Melica und niemand, der nicht gezielt darauf achtete, würde den Spott in ihren Worten bemerken. „Aber ich müsste einmal auf die Toilette.“
Jede Sekunde, die sie nicht in dieser winzigen Hütte verbringen musste, erschien ihr mit einem Mal unendlich wertvoll.
„Ich muss auch mal!“
Frank murmelte etwas, das verdächtig an „womit habe ich so etwas nur verdient?“ erinnerte. „Bei der nächsten Raststätte fahren wir ab.“
Melica grinste leicht, doch ihre Freude schwand sofort, als ihr Blick auf Paulas Gesicht fiel. In den letzten Tagen hatte sie es wie durch ein Wunder geschafft, ihren Fragen zu entkommen.
Irgendetwas in Paulas Miene sagte ihr jedoch, dass dies nicht lange so bleiben würde.
Konnte man an Gestank sterben? Melica wusste es nicht, doch auf jeden Fall verhinderte er, dass sie auch nur einen klaren Gedanken fassen konnte. Der Geruch von verkohltem Essen schwebte in der Luft, klebte überall und ergab zusammen mit dem alten Bratfett und dem Schweiß eine ernstzunehmende Waffe.
Melica ließ ihren Blick durch die baufällige Raststätte wandern und hielt sich mit der einen Hand das Ohr zu. Menschen waren ja so unnormal laut!
Eine Hand zupfte am Ärmel
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