Seelensplitter - Unsterblich wider Willen (German Edition)
ihren Kopf hin und her, immer und immer wieder.
So langsam begann Melica, sich Sorgen um sie zu machen. „Liv? Hallo? Kannst du mich hören?“
Ihre große Schwester starrte sie noch immer wie vom Donner gerührt an. Mitleid hatte sich auf ihr Gesicht geschlichen. Mit ihren Gedanken schien sie ganz woanders zu sein. „Vater darf dich nicht berühren“, hauchte sie schließlich.
„Er darf – was? Warum?“, machte Melica verständnislos. Ach, was klang sie doch wieder intelligent!
Livs Augen füllten sich urplötzlich mit Tränen. „Vertrau‘ mir, Mel. Bitte! Ich weiß, wovon ich spreche. Du darfst nicht in Vaters Nähe kommen, gleich, wenn er wieder da ist! Versprichst du mir das?“
Melica nickte unsicher, woraufhin Liv in lautes Schluchzen ausbrach und aus dem Zimmer stürzte.
„Warum hast du Liv denn so traurig gemacht?“ Paula sah genauso verstört aus wie Melica sich fühlte.
„Ich weiß es nicht.“
Ihre kleine Schwester kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf. „Wenigstens ist es hier jetzt nicht mehr so langweilig.“
„Du bist einfach unglaublich…“
„Unglaublich toll? Oder unglaublich zauberhaft?“
Melicas Lippen verzogen sich automatisch zu einem Lächeln. Paula war vielleicht wirklich magisch – wie sonst ließe sich erklären, dass sie es selbst in den unmöglichsten Situationen schaffte, sie zum Lachen zu bringen? Und wer weiß? Wenn sie ein Dämon sein sollte – warum konnte Paula dann keine Hexe sein? Nach den letzten Wochen hielt sie wirklich nichts mehr für unmöglich…
Ihre Überlegungen brachten Melica jedoch zu einem ganz anderen Problem. Sie runzelte die Stirn und blickte Paula nachdenklich an. „Sag mal…Du hast doch unendlich viele Bücher gelesen, nicht?“
„Kann hinkommen – wieso?“
„Du kennst nicht zufällig eine Geschichte über ein…magisches…Wesen, das es nicht schafft, einfach so ein Haus zu betreten?“
Paula begann zu lachen. „Was ist denn mit dir los, Mel?“, fragte sie mit deutlicher Verwunderung in der hellen Stimme.
Melica zuckte die Achseln. „Es interessiert mich einfach. Aber ich hätte wissen müssen, dass du keine Ahnung hast.“
„Natürlich weiß ich das!“, rief Paula schnell und Melica verkniff sich ein Grinsen. Stolz war die Kleine ja schon immer gewesen…
„Und? Schieß los!“
„‘Türlich gibt es in der Fantasy-Welt Wesen, die nicht durch fremde Türen können. Sonst wäre es ja total langweilig, wenn die einfach so irgendwo einbrechen und alle aussaugen könnten. Die können nur in ein Haus rein, wenn sie reingebeten werden.“ Ein Leuchten schlich sich in Paulas Augen. „Eigentlich müsstest selbst du das wissen, Mel. Immerhin gibt es inzwischen nur noch total wenige Bücher, die nicht von Vampiren handeln.“
„Vampire?“ Ungläubig starrte Melica sie an. „Bist du dir sicher?“
„‘Türlich bin ich mir sicher, Mel. Sonst würd ich’s ja nicht sagen.“
„Aber warum denn Vampire?“, fragte Melica verwirrt. Dämonen hätte sie ja noch verstanden, aber was hatte sie denn bitte mit Vampiren zu schaffen?
Paula musterte sie nachdenklich. „Ich weiß zwar nicht, warum du so geschockt bist, aber ich bin mir echt sicher. Ich schwöre! In Büchern gibt’s nur Vampire, die nicht in fremde Häuser können, wirklich!“
„Ich glaube dir ja, Paula. Du bist dir wirklich ganz sicher?“
„Todsicher.“ Todsicher – ein interessantes Wort aus dem Mund eines zehnjährigen Mädchens.
Melica seufzte leise. „Schön. Danke, Paula“, murmelte sie. „Sei mir bitte nicht böse, aber ich möchte jetzt gerne schlafen. Kannst du vielleicht gehen?“
Enttäuschung huschte über Paulas rundliches Gesicht, doch sie nickte. „‘Türlich. Und später erzählst du mir dann von deiner Entführung, okay? Liv meinte, ich soll dich nicht danach fragen, weil du ein Trauma oder so was haben könntest, aber ich – ich bin noch nie entführt worden.“
„Da kannst du ganz froh darüber sein“, bemerkte Melica und schmunzelte leicht. Von wem auch immer sie selbst ihre Neugierde geerbt hatte – Paula schien auch eine gewaltige Portion davon abbekommen zu haben.
„In Ordnung. Ich erzähle dir später davon. Aber nur, wenn du mich jetzt in Ruhe lässt.“
„Bin schon weg“, rief Paula hastig und ließ zur Tür. „Lass dir ruhig Zeit, ne?“
Zeit…die würde Melica wohl wirklich brauchen. Schließlich musste sie sich nun eine halbwegs plausible Entführung ausdenken.
~*~
Es gab unsichtbare Menschen.
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