Seelensplitter - Unsterblich wider Willen (German Edition)
Vor rotglühenden Augen hatte man einfach Angst.
„War es so schlimm?“
Melica reagierte nicht. Sie musste sich nicht einmal umdrehen, um zu wissen, dass Tizian aufgetaucht war. Sie hatte seine Schritte nicht gehört.
„Schlimmer.“ Sie hatte sich nie zu den theatralischen Menschen gezählt und sah auch als Dämon keinen Grund, dies zu ändern. Dass sie nun eine solche Antwort gab, lag einzig und allein daran, dass es die Wahrheit war.
„Das tut mir leid“, sagte Tizian aufrichtig. „Wirklich. Es ist grausam, die zu verlieren, die man liebt.“
Ein Schluchzen entrang sich Melicas Kehle. „Du hast ja keine Ahnung.“
„Da irrst du dich gewaltig“, widersprach Tizian grimmig und ließ einen freudlosen Lacher hören. „Du bist nicht die Erste, die Menschen zurücklassen muss und du wirst auch nicht die Letzte sein. Jeder von uns hat das schon einmal erlebt, bei Verwandten, Ehepartnern und Freunden. Es mögen immer andere Umstände gewesen sein – der Schmerz ist jedoch immer der gleiche.“
Melicas Sympathie für den Dämon stieg ins Unermessliche. So egoistisch dies auch klingen mochte – es war schön zu hören, dass sie nicht die einzige auf diesem Planeten war, die dies erleben musste. Sie war nicht allein…
„Die Polizei hat ihre Suche nach mir eingestellt“, schniefte sie nach einiger Zeit. „Meine Eltern behaupten, ich sei wieder zurück.“
Tizian lächelte erleichtert. „Du kannst stolz auf deinen Vater sein. So wie es aussieht, versucht er alles, um dich vor Sean zu retten. Wenn die Polizei dich nicht mehr sucht, ist er ganz auf sich allein gestellt.“
Melica ließ den Kopf hängen. „Es ist eine schreckliche Vorstellung, dass der eigene Großvater einen umbringen möchte.“
„Umso unglaublicher, dass er Isak am Leben gelassen hat“, erwiderte Tizian achselzuckend. „Keiner von uns kann wirklich verstehen, warum er ihn nicht einfach enthauptet hat, als er verwandelt wurde. Die Möglichkeit dazu hatte er oft genug. Aber vielleicht steckt in diesem Idioten ja doch irgendwo ein Herz. Ganz, ganz, ganz, ganz, ganz, ganz tief versteckt.“
„Um ehrlich zu sein, munterst du mich nicht gerade auf.“
„Ich könnte dir den Himmel auf Erden versprechen – im Moment würde dich selbst das nicht glücklich machen. Warum soll ich etwas versuchen, von dem ich sowieso schon weiß, dass es niemals klappen wird?“, fragte Tizian unbekümmert. „Ich soll dir übrigens sagen, dass es in ein paar Minuten losgeht. Isak regelt gerade alles mit seiner Arzthelferin.“
„Ähm..“ Melica warf ihm über die Schulter einen verwirrten Blick zu. „Wo genau fahren wir denn hin?“
„Wir fahren nicht – wir laufen“, sagte eine ernste Stimme plötzlich.
Melica zuckte zusammen, ihr Kopf ruckte panisch nach vorne. Jonathan stand direkt vor ihr. Gerade eben war der aber noch nicht da gewesen! Gott – sie würde nie mit dieser wahnsinnigen Schnelligkeit der Barkleys zurechtkommen. Konfus starrte sie ihn an. „Und wohin laufen wir?“
„Nach Schorfheide.“
„Aber…das ist doch in Deutschland!“
Jonathan nickte. „Danke. Das wusste ich schon.“
„Ihr wollt zu Fuß nach Deutschland?“, fragte Melica ungläubig. „Das ist ein Scherz, oder? Ihr nehmt mich doch auf den Arm!“
Das Geräusch schneller Schritte drang an ihr Ohr, wenige Sekunden später stand auch schon Isak vor ihr. „Jonathan hat schon Recht. Wir haben keine andere Wahl, als auf den Fußweg zurückzugreifen“, erklärte er ruhig. „Yvonne hat soeben Kontakt mit uns aufgenommen. Sie meint, die Polizei habe ihre Suche nach dir inzwischen ausgeweitet. Außerdem wissen sie jetzt, dass du von den Zwillingen begleitet wirst.“
Melica schüttelte den Kopf. „Das kann nicht sein! Meine Freundin hat vor wenigen Sekunden noch behauptet, meine Eltern würden lügen und behaupten, ich sei freigelassen worden. Warum sollte sie nicht die Wahrheit sagen?“
„Weil sie es für die Wahrheit hält, nehme ich einmal an. Offiziell mag die Suche nach dir vielleicht abgeschlossen sein, aber inoffiziell? Bei der Polizei gibt es eine Menge Leute, die uns Dämonen am liebsten tot sehen würden. Sean…Vater…ihm muss es irgendwie gelungen sein, an Informationen über die Schattenkrieger zu gelangen. Woher sonst sollte er wissen, dass es gerade die Barkleys sind, die dich begleiten?“
„Mich brauchst du das nicht zu fragen“, erwiderte Melica achselzuckend. „Ich habe kein Wort von dem verstanden, was du mir gerade sagen wolltest.
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