Seelensturm
Frühstück.
Ich brachte keinen Bissen hinunter, trank bloß Tee.
Nic wollte mich um 10.00 Uhr abholen, es war jetzt 9.30 Uhr. Ich ging schon mal zum Ausgang, machte ein Foto von der Empfangsdame. Amelia winkte mir freudestrahlend zu und rief: „Kalimera, haben sie gut geschlafen?“ „Ja, danke“, log ich. „Da wartet schon seit einer halben Stunde ein junger Mann auf sie Frau Bauer. Ich wollte sie anrufen, aber er wollte nicht, dass ich sie störe.“, sagte sie und lächelte mich verschmitzt an. Ein Blick zum Ausgang sagte mir, dass es Nic war, in Bettys Jeep.
„Danke Amelia.“. Ich winkte ihr zu und ging raus. Nic sprang sofort aus dem Auto und ging auf mich zu. „Guten Morgen Angela.“
„Guten Morgen Nic. Schon so früh da? Ich muss noch ein paar Fotos schießen, damit der Film voll wird.“
„Oh, ja. Kein Problem, mach nur ich bin ja viel zu früh dran. Schade, dass du die Bilder jetzt einfach so verknipsen musst, ohne gescheite Motive!“
„Ach, ich habe im Garten ein paar Blumen geknipst, jetzt sind es nur noch drei. Du wärst doch ein gescheites Motiv, stell dich mal an das Auto!“
Was redete ich da bloß für einen Blödsinn? Das machte ich immer, wenn ich nervös war.
Er guckte ein bisschen verlegen, strahlte dann aber über das ganze Gesicht.
Er stellte sich in Pose und lachte in die Kamera. Das ansonsten ernste Gesicht und die etwas traurigen, braunen Augen wurden durch das Lachen schlagartig verändert. Man hatte das Gefühl, dass sein ganzer Körper auflebte, ja strahlte, wenn er lachte. Gestern, beim Essen, war er so ruhig und fast in sich gekehrt, heute war er ganz verändert.
Länger als nötig hielt ich mit der Kamera auf mein „Objekt“.
„Mach mal irgendwas beweg’ dich, damit ich die Sportschaltung noch testen kann!“
Er drehte sich um die eigene Achse, wobei sich sein Haargummi löste und sich seine dunkle Mähne ausbreitete. Schnell hatte er die Haare wieder zusammengebunden. „Gib mir die Kamera, dann mach ich ein Foto von dir.“, sagte er. Er knipste mich, dann war der Film voll. „Madame darf ich bitten? Wir fahren gleich nach Korfu, die Fotos können wir auch dort entwickeln lassen.“ Er machte eine einladende Bewegung in Richtung Auto, ich stieg ein und wir fuhren gleich los. Wir unterhielten uns über diese Geschichte, bis wir Korfu Stadt erreichten. Die Nervosität, die mich überfallen hatte, war plötzlich wie weggeblasen.
„Wir parken jetzt hier irgendwo und dann gehen wir zu Fuß zur Polizei, es ist nicht weit von hier. Vor der Polizeistation bekommt man meistens keinen Parkplatz und der Innenhof ist immer zugeparkt.“
Vor dem archäologischen Museum fanden wir einen Parkplatz.
„Schauen wir nachher noch bei Georg vorbei? Der treibt sich heute im Museum rum. Er wollte unbedingt, dass wir ihm gleich Bericht erstatten, wenn wir bei der Polizei waren.“
„Ja, gerne“, sagte ich. „Er war ja gestern ganz fertig, als er das Schmuckstück hergeben musste.“
Nic lachte. „Er ist total besessen von dieser Geschichte. Wir haben bis 4.00 Uhr früh darüber gequatscht. Wenn Georg sich mal in etwas reinsteigert, dann richtig.“
„Kennst du ihn schon lange?“ „Ja, so ungefähr seit dem Sandkasten. Ach, da vorne ist der Fotoladen!“
Wir gaben den Film ab, ich ließ ihn gleich zweimal entwickeln, damit ich die Fotos auch für mich hatte. Schließlich musste ich meine Abenteuer zu Hause auch erzählen und ein Foto vom „Bösewicht“, als Untermalung meiner Geschichte, machte sich bestimmt gut.
Die Filmentwicklung dauerte eine Stunde laut der Auskunft des Verkäufers.
„Was machen wir in der Zwischenzeit?“, fragte ich Nic.
Er wirkte plötzlich etwas zappelig. Wegen was war der den so nervös?
„Äh, vielleicht...... ich meine hättest du Lust auf eine Stadtrundfahrt mit dem Bummelzug?“
„Oh, ja. Zug fahren macht mir riesigen Spaß. Als Kind bin ich mit jedem Pfennig meines Taschengeldes im Olympiapark mit dem Bummelzug gefahren. Wo fährt der weg?“
Auf Nicolas’ Gesicht war plötzlich ein Ausdruck der Erleichterung zu sehen. Er sagte: “Super, ich fahre auch gern Zug, den in München kenne ich auch. Der hier hält unten in der Nähe der Festung, da wo der McDonald’s ist.“
Wenn ich Nicolas’ Verhalten so betrachtete, erkannte ich, dass er sich ähnlich wie ich verhielt. Konnte es sein, dass meine Gegenwart ihn so zappelig machte? Auch ich hatte sozusagen „Schwierigkeiten“, mit anderen Menschen umzugehen.
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