Seelensturm
hatten sich in München kennengelernt. Spiros hatte dort ein Seminar der Hotelfachschule besucht und Betty jobbte dort als Hostess. Als Betty dran war, erzählte sie von ihren Eltern, die in München lange Jahre eine Kunstgalerie besaßen, aber jetzt im Ruhestand wären. Und hätte sie Spiros nicht kennengelernt, wäre sie heute Galeristin in München, aber sie wäre froh, dass sie diesen Job gegen Spiros eingetauscht hatte.
Ich erzählte von meiner Familie und meinem Job, der mir nicht die Erfüllung brachte und meinem Drang etwas in meinem Leben verändern zu wollen.
Dann war Nic dran. Er erzählte, dass er bei einer Versicherung in München arbeitete, in der Abteilung für versicherten Schmuck und Kunstgegenstände, dass er ziemlich viel unterwegs war und der Beruf ihm Spaß machte.
Wir redeten, tranken Wein und irgendwann packte Spiros eine Gitarre aus und spielte darauf zu griechischen Liedern, die er uns vorsang. Er hatte eine tolle Stimme. Betty himmelte ihn an, während er sang. Sie liebte in wirklich sehr, das sah man.
Ich wünschte ihr von Herzen, das sie schwanger war. Die zwei waren wirklich nett. Es wäre eine Schande, wenn sie keine Kinder hätten.
Nach einigen Liedern von Spiros sangen wir die typischen Lagerfeuer – Lieder von John Denver und ein paar Seemannslieder. Nicht sehr schön, aber laut und fröhlich.
Es war fast 1.00 Uhr morgens, als wir noch ein bisschen Holz ins Feuer legten und uns in die Schlafsäcke kuschelten. Ich schlief schnell ein, der Wein tat seine Wirkung.
Ich erwachte, weil es kalt wurde, ich hatte mich im Schlaf aus dem Schlafsack gewühlt. Als ich mich wieder rein kuscheln wollte und mich umsah, bemerkte ich, dass Nics Schlafsack leer war. Der Mond schien hell auf unseren Lagerplatz. Ich stieg aus meinem Schlafsack aus und zog meine Schuhe an. Der Jogging–Anzug, den Gaby mir geliehen hatte, war viel zu groß und ich krempelte die Hosenbeine hoch. Ich stand auf und ging um die Düne herum.
Ein paar Meter von mir entfernt saß Nic im Sand und starrte mit dem Rücken zu mir auf das Meer, seine langen Haare flatterten im Wind. Ich sah ihn ein paar Minuten nur an und überlegte, ob ich zu ihm gehen sollte, entschied mich dann aber für den Rückzug. Gerade als ich mich umdrehen wollte, stand er, immer noch mit dem Rücken zu mir, auf und zog sich bis auf die Badehose aus. Da konnte ich seinen nackten Rücken sehen und ich bekam einen riesigen Schrecken. Ich konnte ihn im Mondlicht deutlich erkennen. Sein ganzer Rücken war mit Brandnarben überzogen! Er ging ins Wasser, ich flitzte wieder hinter die Düne, bevor er mich doch noch bemerkte, und legte mich wieder hin.
Wie hatte er sich nur diese Narben zugezogen? Erst jetzt fiel mir auf, dass er den ganzen Tag ein T-Shirt anhatte, während wir anderen in der Badekleidung auf dem Schiff herumlagen.
Und da fiel mir ein, was Betty mir über ihren Bekannten erzählt hatte : „....... er wurde schwer misshandelt, er wurde regelrecht mit glühenden Eisenteilen gebrandmarkt.“
Der „Bekannte“ war ihr eigener Bruder, wie schrecklich. Die Narben auf seinem Rücken passten zu Bettys Geschichte. Jetzt wurde mir Vieles an Nicolas‘ Verhalten einleuchtender. Jetzt wusste ich, warum er Schwierigkeiten hatte, mit anderen Menschen umzugehen.
Er hatte so viel Schreckliches erlebt.......
Ich konnte lange nicht einschlafen und bekam noch mit als Nic zurück kam und sich im Zelt ein Handtuch holte. Er legte leise noch Holz ins Feuer und blieb lange davor sitzen. Ich beobachtete ihn eine Weile durch halb geschlossene Augen und schlief dann irgendwann ein.
Am nächsten Morgen weckte mich Kaffeegeruch. Ich machte die Augen auf und sah, wie Nic auf der Glut einen großen metallenen Kaffeekocher erwärmte. „Guten Morgen Angela!“, flüsterte er. „Guten Morgen Nic. Wie spät ist es?“ „Erst halb sieben, die Sonne geht gerade auf.“ Ich wickelte mich aus meinem Schlafsack, ging ins Zelt und zog dort meine lange Jeans und ein Sweatshirt an. Als ich raus kam, war der Kaffee schon fertig. Nic reichte mir eine Tasse, nahm sich eine ISO-Matte und deutete in Richtung Strand.
Als wir um die Düne herum waren, sagte er: „Wir trinken unseren Kaffee am Strand, dann können die anderen noch schlafen und wir sehen dem Sonnenaufgang zu.“
Wir setzten uns auf die ISO-Matte und genossen stumm den Sonnenaufgang und unseren Kaffee. Das Schiff dümpelte so vor sich hin, was für ein Ausblick das war! Wunderschön!
Nic saß ganz nah
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