Seelensturm
Ich finde, du solltest mir die Wahrheit sagen.«
Röte schoss mir ins Gesicht, als ich für einen Augenblick die Überraschung in den Gesichtern lesen konnte.
»Was für eine Wahrheit, Liebes? Das heute, … war ein … Unfall. Ein Betrunkener, es war ein …«, versuchte er sich herauszureden. Er wollte mich weiter täuschen. Doch diesmal konnte ich keine Märchen und Ausreden mehr ertragen. Wütend erhob ich meine Stimme. »Das war ein versuchter Mord. Und ich will auf der Stelle wissen, was hier los ist!«, platzte es aus mir heraus.
Erstaunt darüber, wie ich mit ihm sprach, wollte er mich gerade zurechtweisen, als der fremde Mann sich in unser Gespräch einmischte.
»Sie hat recht, Finley. Früher oder später musst du deine Nichten sowieso einweihen. Besser du tust es jetzt, bevor es zu spät ist. Außerdem ahnt sie schon etwas, da wäre es nur fair, ihr reinen Wein einzuschenken.«
»Wer sind Sie?«, unterbrach ich ihn.
Der Mann, der versuchte, meinen Onkel zum Hierbleiben zu überreden, war ungefähr im gleichen Alter wie Finley. Er war einen ganzen Kopf kleiner als ich und wirkte etwas zerstreut, aber freundlich. Seine längeren, grauen Haare hatte er ungebürstet zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und eine runde kleine Brille saß auf seiner Nase. Er wirkte ungepflegt, dafür hatte er warme braune Augen, die mich freundlich anblickten.
Er erhob sich. »Oh, entschuldige bitte. Ich bin Vico, Vico Tramonti, ein Freund deines Onkels«, sagte er lächelnd und streckte mir seine Hand entgegen, die ich zögerlich annahm. Sein Griff war warm und kräftig.
»Ich kenne deinen Onkel schon viele Jahre und ich hoffe, wir werden uns auch besser kennenlernen. Seit Längerem war es mein Wunsch, euch Mädchen einmal zu treffen, jedoch hat mein Beruf es nie zugelassen, bis jetzt.«
Mr. Tramonti schien sehr nett zu sein. Er tätschelte meine Hand und setzte sich wieder aufs Sofa, sah meinen Onkel aufmerksam an, gespannt, was er mir nun sagen würde. Onkel Finley dachte nach und ich glaubte schon, neue Ausreden oder abstruse Geschichten aufgetischt zu bekommen. … Jedoch bevor er es sich anders überlegen konnte, sprudelten all die Dinge über meine Lippen, die mich seit gestern beschäftigten.
»Bitte Onkel, ... sag mir, was oder wer sind die Taluris und wer will Amy etwas antun und vor allem warum? Sie hat doch niemandem etwas getan. Was hat diese Krähe zu bedeuten? Und überhaupt, was ist denn eigentlich hier los? Warum willst du mit uns fortgehen? Ich denke, wir haben ein Recht, alles zu erfahren«, flehte ich ihn an und schluckte meine aufkommenden Tränen hinunter.
»Siehst du? Ich wusste, dass sie etwas ahnt. Es war eine Frage der Zeit, bis sie es herausfinden würde«, nickte Mr. Tramonti ihm zu.
Ich hatte ihn wohl in die Enge getrieben, sodass er nun die Wahrheit sagen musste. Da trat Mr. Chang auf mich zu, hielt meine Schultern und sah mir fest in die Augen. Sein Gesicht war ernst.
»Willst du wirklich die Wahrheit hören? Auch, wenn es etwas ist, was du dir in deinen kühnsten Träumen nicht hättest vorstellen können?«, fragte er.
Ich brachte vor Anspannung kein Wort mehr heraus und nickte stumm. Dann schob er mich zum Sofa, direkt auf den Platz, auf dem er vorher gesessen hatte und drückte mich in das weiche, braune Leder.
Innerlich schien Onkel Finley mit sich zu ringen, doch je länger er mich ansah, desto mehr verlor er den Kampf mit sich selbst und fuhr sich gequält durchs Gesicht.
»Terry, Frank, Clive lasst uns allein. Überwacht alles und gebt im Falle eines Falles sofort Alarm.«
Die drei Gorillas nickten und schlossen leise die Tür hinter sich. Es dauerte noch einen kurzen Augenblick, bis er endlich anfing, mich in seine Geheimnisse einzuweihen.
»Liebes, das … ist alles nicht so leicht. Es gibt ein paar Dinge, die wirklich schwer zu glauben sind, und sie sprengen vielleicht deine Vorstellungskraft. Dennoch ist es wichtig, dass du mir jetzt genau zuhörst.« Unruhe beherrschte seinen Körper und ich sah, wie seine Hände zitterten. Es machte mir deutlich, wie ernst diese ganze Sache war.
»Die Welt, so wie du sie kennst, gibt es nicht, Jade. Das, was ich dir jetzt sage, klingt für dich wahrscheinlich unglaublich, doch seit heute Nachmittag könntest du eine Vorstellung davon haben, dass es tatsächlich unser Schicksal ist«, begann er.
Ungeduldig rutschte ich auf dem Sofa hin und her.
»Wir stecken wirklich in einer ernsten Lage und ich hoffe, dass wir da alle heil
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