Seelensturm
alles glauben würde. Sie behauptet doch tatsächlich, dass unser Unfall gestern kein Unfall war, sondern ein Mordanschlag. Kannst du dir das vorstellen?«
Sie schüttelte fassungslos den Kopf und lachte. Abrupt hörte ich auf, meinen Fuß zu massieren. Kannte Alegra unser Geheimnis? Vertraute Onkel Finley ihr etwa so sehr?
»Hat sie das zu dir gesagt?«, wollte ich wissen.
»Nein, aber Onkel Finley. Und das Verrückteste daran ist, dass er es glaubt. Das gibt es doch nicht. Onkel Finley ist der felsenfesten Überzeugung, dass uns irgendeine Sekte, die sich Waluri, ... Damuri oder so ähnlich nennt, töten will.«
»Taluris«, verbesserte ich sie.
Erst als sie meine Verbesserung registrierte, sah sie mich entsetzt an und ihr Mund blieb offen stehen. »Du weißt davon?« Jetzt bemerkte sie meinen Farbenschimmer, der verräterisch aus meiner Haut strahlte. Weiß, schwarz und orange waren die Hauptfarben, doch auch ein kleiner goldener Schleier war dabei, was ungewöhnlich war. Diese Farbe hatte ich noch nie an mir gesehen.
Amy war still geworden und starrte mich fassungslos an. Ich verstand noch immer nicht, warum sie glaubte, dass Alegra Onkel Finley alles nur eingeredet hatte. Was hatte Alegra überhaupt damit zu tun?
»Erzähl mir alles von Anfang an«, unterbrach ich die Stille, die zwischen uns entstanden war und klopfte auf den freien Platz neben mir.
»Onkel Finley wollte mich heute Morgen sprechen. Zuerst dachte ich, er will mich bestrafen, weil ich gestern während unserer Freistunden das Schulgelände verlassen habe. Doch dann erzählte er, er müsse mir ein Geheimnis anvertrauen und dass er furchtbare Angst um mich hat. Er war nervös und ich fand sein Verhalten komisch, doch dann sagte er, dass der Unfall gestern gewollt war. Dass ich eine Illustris ... oder so was wäre und dass man schon mein ganzes Leben nach mir sucht. Er meinte, dass jemand mich jagen würde, bis er es geschafft hätte, mich zu töten. Zuerst dachte ich, Onkel Finley sei betrunken oder dass er vielleicht zu lange in der Sonne gesessen hätte. Ich lachte und natürlich glaubte ich ihm kein Wort. Es kann doch nicht sein, Jade, dass er dieses Märchen wirklich glaubt. Ich zählte eins und eins zusammen und für mich war klar, dass nur Alegra hinter dieser Geschichte stecken konnte. Er meinte auch, er würde am liebsten mit uns fortgehen. Das würde doch passen, Jade. Oder findest du das etwa nicht? Alegra hat unseren Onkel so im Griff, dass er ihr schon aus der Hand frisst. Er würde alles für sie tun, das hab ich jetzt verstanden. Mensch, Jade, überleg doch mal. Er glaubt diesen Mist wirklich.«
Ich konnte zwar Amy verstehen, doch dieses Mal war Alegra wirklich unschuldig.
»Was ist dann geschehen?«
»Naja, ich hab ihn natürlich ausgelacht. Aber ich war auch gleichzeitig wütend auf sie. Onkel Finley hat uns Hausarrest erteilt. Wir dürfen nirgends hin, Jade. Noch nicht mal in die Schule. Er sperrt uns ein. Das kann er doch nicht machen? Jedenfalls hab ich wütend das Büro verlassen.«
Langsam dämmerte mir, dass Amy etwas wirklich Dummes gemacht haben könnte. Wenn sie wütend war, neigte sie dazu, sich selbst in Schwierigkeiten zu bringen.
»Amy? Was hast du getan?«, fragte ich mit einem warnenden Unterton.
Sie war vom Sofa aufgestanden und ging im Zimmer auf und ab. »Aber Jade, das kann doch nicht sein! Er kann doch nicht wirklich so einen Unsinn glauben.«
»Amy! Was hast du getan?«, fragte ich streng. Sie atmete kurz ein und aus, ließ ihre Schultern hängen und gab sich geschlagen.
»Na gut, komm mit, dann zeig ich es dir.«
Schweigend folgte ich ihr hinaus in den Flur, wo sie direkt in das Schlafzimmer von Onkel Finley lief.
Alegra war ein bekanntes Model, das schon auf einigen Covers von Modezeitschriften abgelichtet worden war. Sie liebte Kleidung, Schuhe und Kosmetik. Sie hatte ein gutes Gespür für Trends und Mode. Sie war wirklich eine schöne und sehr attraktive, junge Frau. Aber wir kannten sie auch anders. Ihre Verschwendungssucht, ihre arrogante Art und vor allem ihre Faulheit verdarben ihren Charakter. Manchmal konnten Amy und ich es nicht fassen, was Onkel Finley nur an ihr fand. Er hatte uns immer als eifersüchtig bezeichnet, wenn wir versucht hatten, mit ihm zu sprechen. Sie gab sein Geld in rauen Mengen aus, was sich jetzt vor unseren Augen bestätigte. Das Schlafzimmer war fast genauso groß wie der Wohnbereich, den Amy und ich uns teilten. In der Mitte stand ein großes Bett, das wie
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