Seelentausch - Ein dunkles Familiengeheimnis (German Edition)
ihm über die Stirn und ins Gesicht gerutscht. Mit zwei hektischen Bewegungen strich er sie zurück. Peter hatte die ganze Zeit über das Gefühl, als sprächen Lackner und der Hauptmann über eine dritte Person, die ihn nichts weiter anging. Nur mit Mühe konnte er sich ins Gedächtnis zurückrufen, dass er diese Person war. Ihm wurde als Baby ein Teil der Seele dieses Monsters eingepflanzt, die nur darauf wartete, die Herrschaft über seinen Geist und Verstand zu ergreifen.
Wie kann man überhaupt lediglich einen Teil einer Seele verpflanzen?, fragte er sich in Gedanken und hörte bereits Sekunden später die gesprochene Antwort des Hauptmannes.
»Meine Seele unterscheidet sich ein wenig von eurer einfach gestrickten, menschlichen Seele. Stell dir eine Blütenzwiebel vor, die man bricht und aus deren beiden Teilen jeweils eine wunderbare Pflanze entspringt. Zwischen beiden Pflanzen besteht eine Beziehung, und man kann nach Belieben hin und her springen.«
Lackner schnaufte nervös.
»Aber woher kamen all die Visionen, die Peter hatte und die Verletzungen, die er spürte?«, fragte er. »Es waren Wilhelms Gedanken, Wilhelms Verletzungen. Wie konnte Peter sie erfahren, wenn es in Wirklichkeit deine Seele ist, die in seinem Körper wohnt?«
»Eine gute Frage«, erwiderte der Hauptmann ernst. »Die Seelen, die ich mir einverleibe, geben meinem Körper nicht nur die notwendige Energie, sondern versorgen mich auch mit dem kompletten Wissensstand der Seele. Ich nehme alle Gefühle und Erinnerungen, auch die an Krankheiten und Beschwerden in mich auf.«
»Du weißt also über das ganze Leben deiner Opfer Bescheid«, bemerkte Lackner finster.
»So ist es. Und alle Empfindungen und Schmerzen eines jeden Einzelnen kann ich abrufen. Ich habe Peter in den Visionen an den Erlebnissen seines Großvaters teilhaben lassen. Ich habe ihm gezeigt, wo Wilhelm sich verletzte und welche Schmerzen damit verbunden waren. Und wozu das Ganze?«
»Damit ich keinen Verdacht schöpfe und deine Anweisungen befolge«, antwortete Lackner müde.
Der Hauptmann klatschte einmal in die Hände und wirkte dabei wie ein teuflischer Showmaster.
»Na also, Karl Gustav. Richtig kombiniert. Ich wollte mir deiner Loyalität sicher sein. Ich wollte, dass du Peter hierherbringst. Ich selbst kann ihn ja leider nicht holen kommen. Und ich brauche ihn hier, um den Seelenwechsel endgültig komplett zu machen. Peter muss in meiner Nähe sein, wenn aus den zwei Kernen wieder einer werden soll.« Der Hauptmann nickte vor sich hin und zuckte dann entschuldigend mit den Achseln. »Ich habe nicht gewusst, dass die ganze Prozedur so lange dauern würde. Normalerweise setzt sich eine neue Seele viel schneller durch. Ich habe mit einigen Jahren Wartezeit gerechnet, aber nicht mit nahezu dreißig Jahren. Nun ja, sobald ich die Kontrolle seines Geistes übernommen habe, wird sein Körper nicht mehr altern. Es ist also im Grunde genommen nicht weiter tragisch.«
»Soll mir das jetzt irgendwie helfen?«, fragte Lackner gereizt. Er hatte sich inzwischen neben seine Tasche gesetzt und hielt mit den Händen die Griffe umklammert. »Wirst du wenigstens meinen Teil des Versprechens einlösen? Bekomme ich ein neues Leben, wenn ich dir ein Baby bringe?«
Der Hauptmann atmete übertrieben ein und aus.
»Ich fürchte, daraus wird nichts«, sagte er dann schließlich. »Ich spüre, dass ich in Kürze die Herrschaft über Peter erhalte. Dann bin ich endlich frei. Ich werde reisen, die Welt entdecken. Ich werde die Energien der Seelen aus allen fünf Erdteilen in mich aufnehmen. Ich werde so viel zu essen bekommen, wie ich mir nur erträumen kann. Ich werde nie wieder Hunger leiden müssen. Ich kann in dicht besiedelte Gebiete gehen und täglich speisen.«
Peter dachte an seine Vision. Was würde das für ein Massaker geben, wenn der Käfer ungehindert Leute zerschnippeln und aussagen konnte? Er schüttelte den Kopf und verbannte das grausame Bild aus seinen Gedanken.
»Wenn ich dich so ansehe, Karl Gustav, dann lass dir sagen, dass deine Lebensuhr beinahe abgelaufen ist«, erklärte der Hauptmann unterdessen. »Genieße die letzten Jahre. Mach es dir schön. Ich werde dir nichts tun. Du wirst die Höhle nachher als Einziger verlassen können. Das ist mein Dank dafür, dass ihr mich damals gefüttert habt.«
32
»So hatten wir nicht gewettet!«, schrie Lackner aus vollem Halse. Peter sah, wie sein ganzer Körper erbebte. »Glaubst du, das lasse ich mir
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