Seelentausch - Ein dunkles Familiengeheimnis (German Edition)
Maren konnte anscheinend nur schwer glauben, dass sich in diesen unscheinbaren Gläschen tatsächlich etwas befinden sollte, das ihm helfen würde, seinen Kopf wieder in Ordnung zu bringen. Deine Seele, sagte eine keifende Stimme in seinem Kopf. Es geht hier um deine Seele. Der Geist deiner Seele ist dort in der Flüssigkeit. Das war noch schwerer zu akzeptieren. Peter hatte ja noch nicht einmal akzeptiert, dass seine Seele überhaupt ausgetauscht worden war. Bis auf seine Visionen fühlte er sich völlig gesund. Aber konnte man denn merken, wenn die eigene Seele schlappmachte oder verschwand? Das war eine hoch geistige Frage, die schon Generationen von Philosophen beschäftigt hatte. Je mehr Peter darüber nachdachte, umso mehr drehten sich seine Gedanken im Kreis.
»Was ist?«, fragte Maren, als er weiterhin auf das Etikett der Flasche starrte. »Du glaubst die Geschichte des Monsters nicht«, stellte sie fest. »Kein Wunder. Mir fällt es auch schwer, aber welche andere Chance haben wir? Lass uns einfach davon ausgehen, dass der Hauptmann keinen Mist geredet hat.« Maren hob die Hand und winkte in Richtung des Regals. »Jetzt haben wir nur noch die klitzekleine Aufgabe, die richtige Essenz herauszusuchen. Deine Essenz.«
Plötzlich fiel Peter etwas ein.
»Welches Baby kann schon schreiben? Wie wird mein Aufkleber aussehen?«
Maren zog die Stirn kraus.
»Dein Schriftstil wird in deinen Genen liegen, da bin ich überzeugt. Erinnere dich daran, was der Hauptmann gesagt hat: Die Seele besitzt kein spezifisches Alter. Halt einfach nach deiner dir bekannten Sauklaue Ausschau.«
Sie sahen sich noch einen Moment an, dann griffen sie fast synchron in das Regal und drehten die ersten Reagenzgläser um.
Peters Handschrift fand sich auf einem Aufkleber ziemlich weit rechts. Maren holte das Gläschen hervor und atmete geräuschvoll aus.
»Das ist es«, sagte sie, während sie zu Peter hüpfte.
Er kam ihr entgegen und schaute das Etikett einige Sekunden lang fasziniert an. Es handelte sich ganz eindeutig um seine Schrift. Wieder konnte er das Wort darauf nicht lesen. Es ergab keinen Sinn, als wären wahllos große und kleine Buchstaben aneinandergereiht worden.
Peter hielt die Fackel etwas näher an das Reagenzglas heran und betrachtete die klare Flüssigkeit. Nichts schwamm darin herum, nicht einmal irgendwelche Staubpartikel.
»Ich weiß nicht, was ich glauben soll«, sagte er unsicher und versuchte, Maren anzulächeln. Es misslang gründlich. Seine Freundin strich ihm sanft über die Wange. Wie gut diese Berührung tat.
»Denk nicht darüber nach. Lass uns so schnell wie möglich von hier verschwinden. Und dann testen wir es einfach aus. Was hast du schon zu verlieren?«
Plötzlich fiel ihm etwas ein.
»Vielleicht brauche ich das Zeugs nicht mehr.« Maren runzelte die Stirn und sah ihn abwartend an. »Der Käfer ist tot. Seine Seele ist vernichtet. Wie kann sie mich da noch übernehmen?«
»Ich glaub, so läuft das nicht«, antworte Maren gedehnt und strich wieder über seine Wange. »Der Seelentausch hat ja schon stattgefunden, als du ein kleines Baby warst. Etwas ist in deinem Körper oder in deinem Geist, ich weiß nicht, wie ich es besser ausdrücken soll, etwas, was da nicht hingehört. Und dieses Etwas wird früher oder später versuchen, die Kontrolle zu übernehmen. Egal, ob der Hauptmann lebt oder tot ist. Vielleicht wird das Käferding nun nicht mehr in dir auferstehen, aber du könntest trotzdem …« Maren machte eine Pause und senkte den Blick. Ihr Gesichtsausdruck sah unheimlich gequält aus.
»… verrückt werden, weil die Visionen immer öfter kommen würden«, beendete er ihren Satz.
Maren schaute ihm in die Augen und nickte. Eine Träne kullerte ihr die Wange herunter, und er fing sie mit seinem Zeigefinger auf.
»Wahrscheinlich hast du recht«, sagte Peter. »Ich werde diese Augentropfen ausprobieren. Was kann schon schiefgehen?«
Maren presste die Lippen aufeinander und nickte.
»Aber das hat Zeit, bis wir hier weg sind. Los jetzt.«
Sie schlang ihren Arm um seinen Nacken, und zusammen verließen sie diese seltsame Höhle.
Auf dem Rückweg versuchte Peter, nicht allzu genau auf die Skelette zu achten, die an beiden Seiten des Weges wie ein längst vergessenes Empfangskomitee warteten. Das kostbare Fläschchen lag sicher verstaut in der Brusttasche seiner Jacke.
Als sie den vorderen Durchgang erreichten, flackerte die Fackel plötzlich. Zuerst dachte Peter an einen Luftzug, der von
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