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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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    Aus einem Impuls heraus überquerte er die Straße und ging die Auffahrt zum Haus der Eliots hoch. Früher einmal wäre er jetzt nervös gewesen. Wenn die Arbeit ihn in die Häuser der Reichen geführt hatte, war er nicht gern Polizist gewesen, er fühlte sich wohler in den Sozialwohnungen, den kleinen Cottages der Bergarbeiter. Aber Vera hatte ihm das ausgeredet: Sie sind ebenso gut wie die. Lassen Sie sich doch nicht von Geld einschüchtern. Das heißt nicht, dass die schlauer wären als Sie, und zu besseren Menschen macht es sie erst recht nicht.
    Veronica Eliot öffnete die Tür. Sie forderte ihn nicht auf, einzutreten, und er fühlte sich in etwa so willkommen wie ein Vertreter für Isolierfenster. Die Shaws hatten sich wenigstens gefreut, ihn zu sehen.
    «Haben Sie vielleicht eine Ahnung, wo Connie Masters sein könnte?», fragte er.
    «Wieso sollte ich?»
    «Sie waren doch gestern Nachmittag bei ihr, als Jenny Listers Tasche gefunden wurde. Weil Sie eine gute Nachbarin sind. Sie macht gerade eine schwierige Zeit durch. Ich dachte, sie hätte Ihnen vielleicht etwas gesagt. Falls sie sich vor der Presse versteckt hält.»
    «Ich glaube nicht, dass die Presse sie schon ausfindig gemacht hat.» Jetzt wirkte Veronica nicht mehr so feindselig. Hatte sie gedacht, er wäre ihretwegen da? «Sie hat mir gegenüber nicht erwähnt, dass sie weg will.»
    «Könnte sie bei irgendwem hier im Dorf sein?»
    Veronica schien kurz zu überlegen, aber er merkte genau, dass sie den Gedanken schon verworfen hatte. «Sie hat sich hier noch mit niemandem so richtig angefreundet. Es ist eher unwahrscheinlich, fürchte ich.»
    Vielleicht blieb Joe auf der Türschwelle stehen, weil sie so kurz angebunden war. Vera hatte ihm beigebracht, hartnäckig zu sein und den Vertretern dieser dreisten Mittelklasse Paroli zu bieten. «Das muss schwer für Sie gewesen sein», sagte er, «wieder ein Kind da unten im Cottage zu sehen.»
    Sie sah ihn voll Abscheu an. Wenn er auf einer ihrer schicken Dinnerpartys einen Furz gelassen hätte, hätte sie nicht verächtlicher blicken können.
    «Ich weiß nicht, wie Sie auf die Idee kommen, Sie hätten das Recht, in den privaten Tragödien meiner Familie herumzuwühlen.»
    Darauf ging er nicht ein, er redete weiter, als dächte er nur laut nach und erwartete gar keine Antwort. «Bestimmt hat es damals eine Untersuchung gegeben. Ein plötzlicher Todesfall, da ist sicher die Polizei eingeschaltet worden. Und das Sozialamt auch, nehme ich an. Die Leute haben bestimmt getratscht. Das kann nicht leicht gewesen sein.»
    Da verlor Veronica die Beherrschung. Plötzlich und völlig unerwartet bröckelte ihre Fassade, und Joe kam sich vor wie ein Wurm. Sie war hochrot im Gesicht und schimpfte auf ihn ein, dass die Worte nur so auf ihn niederprasselten. «Glauben Sie im Ernst, das hätte mir irgendwas ausgemacht? Ich hatte gerade meinen Sohn verloren. Glauben Sie wirklich, ich hätte mich darum geschert, dass die Leute tratschen könnten?»
    «Es tut mir leid.»
    «Und es ging ja nicht nur um mich. Auch Christopher hatte seinen kleinen Sohn verloren. Ich wusste, ich würde es nicht ertragen, danach noch einmal ein Kind zu bekommen. Simon hatte seinen Bruder verloren. Können Sie sich auch nur ansatzweise vorstellen, wie es uns ging?»
    «Es tut mir leid», wiederholte Ashworth.
    Es war, als hätte er gar nichts gesagt. «Wir haben Simon nie die Schuld an dem gegeben, was damals passiert ist. Nie. Er war noch ein Kind. Aber er war alt genug, um sich daran zu erinnern. Er hat gewusst, dass er nicht hätte wegrennen dürfen. Er denkt, dass es sein Fehler war. Damit muss er seitdem klarkommen. Glauben Sie wirklich, ein bisschen Tratsch könnte schlimmer sein als diese Qual?»
    «Nein», sagte Ashworth. Er musste sich davon abhalten, die Hände hochzunehmen, um seinen Kopf vor der Gewalt der Worte zu schützen. «Nein, natürlich nicht.»
    Der Ausbruch endete ebenso plötzlich, wie er begonnen hatte. Veronica wurde wieder unnahbar und eiskalt. «Um Ihre Frage zu beantworten, Sergeant, natürlich war es schwer, ein Kind da spielen zu sehen, wo Patrick ums Leben gekommen ist. Ich war hin- und hergerissen. Vielleicht hat das, was ich erlebt habe, ja auf mein Verhalten Connie gegenüber abgefärbt. Ich bin nicht nett zu ihr gewesen. Aber mit ihrem Verschwinden habe ich nichts zu tun. Ich weiß nicht, wo sie ist.»
    Sie wollte sich schon umdrehen und die Tür wieder zumachen, aber Ashworth rief sie noch

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