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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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herausgefunden hätte, hätte er womöglich sein ganzes Leben ruiniert, bloß für einen Kaffee. In ein paar Tagen wäre er wieder in Bristol gewesen, und wir hätten die ganze Sache vergessen können.»
    Joe erkannte, dass diese Frau, die ihr Leben lang versucht hatte, ihren Sohn zu beschützen, ein Monster erschaffen hatte. Ob sie wohl auch getötet hätte, um ihn zu beschützen? Schon möglich, aber es war vollkommen undenkbar, dass sie sich im Garten hinter den Jungen, der, wie Joe jetzt sah, ihr ganzer Lebensinhalt gewesen war, gestellt und ihn erdrosselt hätte.
    «Haben Sie mit Danny darüber gesprochen?»
    Diesmal zögerte sie. «Nein. Ich weiß, das hätte ich tun sollen. Aber ich wollte uns nicht die letzten Tage seiner Ferien verderben. Ich wollte, dass wir glücklich sind, dass wir wieder die Familie sind, die wir einmal waren. Ich habe den Gedanken daran verdrängt. Ich habe mir eingeredet, dass Danny so was nicht tun würde.»
    Ashworth wandte sich an ihren Mann. «Haben Sie davon gewusst, Mr Shaw?»
    Der Mann schüttelte den Kopf, ganz offensichtlich völlig verwirrt von den Ereignissen, die dem Tod seines Sohnes vorangegangen waren.
    «Wo war Danny an dem Vormittag, an dem Mrs Lister ums Leben gekommen ist?» Ashworths Stimme blieb sanft. Nicht der Hauch einer Anschuldigung war darin zu hören. «Ich weiß, dass seine Schicht im Willows erst am späten Nachmittag angefangen hat, aber ist es dennoch möglich, dass er an dem Vormittag im Hotel war?» Keine Antwort. «Mrs Shaw?»
    Sie schwieg lange, doch diesmal drängte er sie nicht. «Am Abend vorher ist er nicht nach Hause gekommen», sagte sie schließlich. «Wenn er spät noch gearbeitet hat, ist Derek oft losgefahren und hat ihn von seiner Schicht abgeholt. Abends fahren keine Busse, und ein eigenes Auto besaß er ja nicht.» Noch etwas, worüber der Junge sich beschwert hatte. «Aber manchmal ist er auch über Nacht dort geblieben. Er durfte eine von den Kojen für die Angestellten benutzen. Wenn er die Schicht getauscht und am anderen Tag früh angefangen hat oder wenn er mit ein paar von den Mädchen, die da arbeiten, noch was trinken gegangen ist.» Sie blickte hoch. «Wegen den Mädchen ist er dann aufgeblieben, mit denen hat er gequatscht. Die waren alle in ihn verliebt.»
    «Und so war es auch an dem Abend, bevor Mrs Lister umgebracht wurde?»
    Sie nickte. «Derek wollte ihn abholen, aber Danny hat angerufen und gesagt, er soll sich die Mühe sparen. Er würde im Hotel übernachten.»
    «Haben Sie ihn am anderen Tag gesehen? Am Tag von dem Mord?»
    «Nein», sagte sie. «Als ich zu meiner Schicht kam, war er nirgendwo zu sehen, und ich habe gedacht, er hat bestimmt den ersten Bus nach Haus erwischt.» Sie sah Ashworth scharf an. «Wahrscheinlich war er nicht mal im Hotel, als die Frau ums Leben gekommen ist.»
    «Haben Sie ihn denn nicht gefragt? Später, nachdem man die Leiche der Frau gefunden hat, haben Sie ihn da nicht gefragt, ob er da gewesen ist?»
    «Nein!», sagte sie. «Wie hätte ich ihn denn fragen sollen? Da hätte ich ihn ja gleich beschuldigen können, ein Mörder zu sein.»
    Nach diesem Ausbruch saß das Ehepaar wieder schweigend da. Im Garten lief ein Eichhörnchen über die Äste der alten Bäume, die die Straße säumten. In einem Nebenzimmer schlug eine Uhr die halbe Stunde. Die Zeit verging, und sie hatten Connie und Alice immer noch nicht gefunden. Ashworth merkte, dass ihn das ablenkte, dass er sich nicht länger auf die Befragung konzentrieren konnte.
    «Greenhough», sagte er. «Dieses Grundstück ganz in der Nähe. Land, das nur darauf wartet, erschlossen zu werden, würde ich meinen. Haben Sie nie versucht, da dranzukommen, Mr Shaw?»
    Shaw sah ihn an, als ob er verrückt geworden wäre. «Was hat das denn hiermit zu tun?»
    «Wahrscheinlich nichts.» Nur noch so eine Idee, die Vera Stanhope sich in den Kopf gesetzt hat. «Aber erzählen Sie es mir doch einfach.»
    «Einmal hätte ich den Grund fast gekauft», sagte Shaw. «Es sah aus, als wäre Christopher Eliot kurz davor, sich zu entscheiden. Aber am Ende hat seine Familie nicht zugestimmt.» Er starrte aus dem Fenster. «Wenn ich das gekriegt hätte, hätten wir für den Rest unseres Lebens ausgesorgt gehabt. Fünfzig Luxuseigentumswohnungen. Danny hätte alles haben können, was er wollte.»
    «Ich würde mir gern mal Dannys Zimmer ansehen», sagte Ashworth. «Wenn es Ihnen nichts ausmacht.»
    «Das hat sich die Polizei schon angeschaut», sagte Karen wütend.

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