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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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einmal zurück.
    «Könnte ich bitte mit Hannah sprechen?»
    «Hannah ist nicht hier. Sie und Simon sind heute Morgen kurz nach Ihnen aus dem Haus gegangen. Ich nehme an, sie sind wieder bei ihr zu Hause, aber sie haben mir nicht gesagt, wo sie hinwollen.» Sie blieb in der Tür stehen, eine einsame und würdevolle Gestalt, und sah zu, wie der Polizist wegging.
     
    Er fand das Mädchen im Garten hinter dem kleinen Haus, das es mit seiner Mutter bewohnt hatte. Als er an die Tür klopfte, machte niemand ihm auf, und er wollte schon aufgeben, als Hilda ihm von ihrem Wohnzimmerfenster aus zuwinkte und auf einen bogenförmigen Durchgang zwischen ihrem Haus und dem der Listers deutete.
    Hannah war allein. Sie hatte das rote Haar flüchtig zu einem Zopf zusammengebunden und trug Gummistiefel und einen riesigen handgestrickten Pullover mit ausgefransten Bündchen und Löchern an den Ellbogen. Sie grub gerade ein kleines Gemüsebeet um. Als sie ihn sah, hielt sie inne und lehnte sich auf die Harke. Sie war ganz rot im Gesicht, und ihr Atem ging schnell.
    «Mum hat in den Osterferien immer Kartoffeln gesetzt. Und dicke Bohnen. Das wollte ich nicht schleifen lassen.»
    «Sie haben sich ja daraufgestürzt wie der Teufel auf die armen Seelen.» Das hatte sein Großvater immer gesagt. «Das erschöpft Sie doch.»
    «Das hoffe ich ja.» Sie lächelte ihn an. «Es wäre schön, mal wieder ohne Tablette einschlafen zu können. Am anderen Morgen fühle ich mich davon immer so mies.»
    «Ist Simon nicht hier?»
    «Er ist mit Mums Wagen in den Supermarkt nach Hexham gefahren. Das hätte ich nicht ertragen – weder den Supermarkt noch den Wagen –, deshalb bin ich hiergeblieben. Irgendwas müssen wir ja essen, und ich will nicht jeden Tag ins weiße Haus gehen.» Sie bückte sich geistesabwesend, zupfte etwas Unkraut aus der Erde und warf es auf die Schubkarre, dann richtete sie sich wieder auf. «Wissen Sie schon, wer meine Mutter umgebracht hat?»
    Er schüttelte den Kopf. «Können Sie mir ein paar Fragen beantworten?»
    «Wenn es Ihnen nichts ausmacht, dass wir hier draußen bleiben. An der Luft fühle ich mich besser.» Und er hatte wirklich den Eindruck, dass es ihr viel besser ging. In der Frühlingssonne sah sie fast fröhlich aus. Sie war nicht mehr so blass und teilnahmslos, wirkte nicht mehr wie betäubt.
    «Hat Ihre Mutter in letzter Zeit mal erwähnt, dass ihr im Fitness-Club irgendwas Ungewöhnliches aufgefallen ist? Wir glauben, dass einer von den Angestellten die Gäste und seine Kollegen bestohlen hat. Das könnte ein Motiv sein.» Er wollte mit etwas Allgemeinem anfangen, nichts zu Persönlichem.
    «Nein. Sie hat nichts gesagt. Aber das heißt nicht, dass ihr nichts aufgefallen ist. Wir haben beide viel zu tun gehabt. Sie ist oft erst spät von der Arbeit heimgekommen, und da war ich dann schon mit Si unterwegs oder habe mich zum Lernen auf mein Zimmer verkrochen. Wir standen uns zwar nahe, aber viel Zeit zum Reden hatten wir nicht.»
    «Ich möchte gern noch einmal über Danny Shaw mit Ihnen sprechen.» Joe zögerte. Das war ein heikleres Thema, aber er wollte es anschneiden, solange er Hannah für sich allein hatte. «In seinem Zimmer hängt eine Collage. Seine Mutter hat gesagt, dass Sie ihm die geschenkt hätten. Das klingt, als wäre mehr zwischen Ihnen gewesen als bloß ein paar Kino- oder Kneipenbesuche. Karen sagt, Sie seien seine erste Liebe gewesen und er sei nie über Sie hinweggekommen.»
    Sie bückte sich wieder, um noch etwas Unkraut auszuzupfen und seinem Blick auszuweichen.
    «Eine Zeitlang habe ich gedacht,
ich
würde
ihn
lieben. Das Bild habe ich ihm geschenkt, als ich noch ein bisschen verliebt in ihn war.»
    «Was ist denn schiefgelaufen?»
    «Eigentlich nichts. Ich habe Simon kennengelernt und erkannt, dass Danny im Grunde ein ziemlicher Trottel ist.»
    «Dann haben Sie Danny also für Simon den Laufpass gegeben? Das klang heute Morgen aber noch ein bisschen anders.»
    «Ach ja?» Sie lächelte. «Keine Ahnung. Dieser ganze Kram kommt einem so wichtig vor, wenn man mittendrin steckt, aber später bedeutet es kaum noch was. Das ist ein kleines Dorf hier. Es gibt kaum Jugendliche im gleichen Alter. Noch bevor man siebzehn ist, ist man wahrscheinlich mit den meisten der verfügbaren Jungs schon mal ausgewesen. Das ist wie bei einem dieser schottischen Volkstänze. Wechseln Sie den Partner, wenn die Musik aufhört. Am Ende sind wir alle einfach nur gute Freunde geworden.»
    Joe nahm an, dass das

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