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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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stimmte. Bei ihm war es das Gleiche gewesen. Bevor er seiner Frau begegnet war, war er mit ein paar ihrer Freundinnen ausgegangen; eine davon war erst letzte Woche mit ihrem Mann bei ihnen zum Abendessen gewesen. Die Leidenschaft der Jugendjahre verebbte schnell.
    Er wollte Hannah fragen, ob sie mit Danny geschlafen hatte, ob sie so eng zusammen gewesen waren, hielt sich aber zurück. Er wusste, dass ihr die Frage lächerlich erschienen wäre, ganz abgesehen davon, dass er nicht in ihren Privatangelegenheiten herumschnüffeln wollte.
    «Hat Danny das sehr getroffen? Heute Morgen haben Sie gesagt, dass er Ihnen E-Mails geschrieben und Sie angerufen hat, nachdem Sie ihn verlassen hatten. Hat er Ihnen Schwierigkeiten gemacht?»
    Sie zuckte die Achseln. «Nein. Er war bald drüber weg. Mit seiner Neuen hat er in der ersten Woche an der Uni was angefangen, so untröstlich kann er also nicht gewesen sein.»
    Sie schob die Schubkarre an den Rand des Gartens und warf das Unkraut auf den Komposthaufen. «Ist das alles, was Sie wissen wollten? Ich fürchte, ich bin Ihnen keine große Hilfe.»
    «Hat Simon je mit Ihnen über Patrick gesprochen?» Joe hatte nicht vorgehabt, sie nach dem toten Bruder zu fragen, aber jetzt dachte er, es könnte wichtig sein: das ertrunkene Kind und was das aus Simon gemacht hatte.
    «Natürlich.» Sie strich sich eine vereinzelte Haarsträhne aus der Stirn und hinterließ dort einen Streifen Erde. «Wir sagen uns alles.»
    «Was hat er Ihnen erzählt?»
    «Dass Patrick wie ein Gespenst in ihrem Leben war. Alle seine Sachen sind weg. Veronica hat sein ganzes Spielzeug und alle seine Kleider weggeworfen, und nach dem Unfall haben sie seinen Namen kaum mehr erwähnt. Simon sagt, er hat manchmal das Gefühl, dass es Patrick nie gegeben hat, dass er sich den Unfall und das alles nur ausgedacht hat.»
    «War Ihre Mutter damals schon als Sozialarbeiterin tätig?» Ashworth kam es so vor, als tastete er sich langsam an einen Zusammenhang heran, an eine Erklärung.
    «Ich glaube schon.» Hannah sah unvermittelt auf. «Glauben Sie, dass sie sich nach dieser schrecklichen Sache um die Familie Eliot gekümmert hat? Ihre Ausbildung hatte sie damals schon abgeschlossen, glaube ich, und wir haben wohl auch schon hier gewohnt.»
    «Es ist mir nur grad in den Sinn gekommen», sagte Joe. «Aber das wäre schon ein zu arger Zufall. Ihre Mutter hätte sich sicher daran erinnert, schließlich ist es in der unmittelbaren Nachbarschaft passiert. Sie hätte darüber gesprochen.»
    «Oh, das glaube ich nicht.» Hannah wirkte überzeugt. «Sie hat so einen Fimmel gehabt, was die Vertraulichkeit betrifft. Sie hat immer gesagt, die Arbeit soll im Büro bleiben, da, wo sie hingehört.» Sie lehnte die leere Schubkarre gegen die Wand. «Heute werde ich hier wohl nicht mehr weitermachen. Möchten Sie vielleicht einen Tee?»
    «Fühlt Simon sich verantwortlich für den Tod seines Bruders?»
    Sie war schon auf dem Weg zur Hintertür des Hauses, doch seine Frage hielt sie zurück.
    «Natürlich.» Sie zog sich das Band, das den Zopf zusammengehalten hatte, vom Kopf und schüttelte die Haare aus. «Das hat den Menschen aus ihm gemacht, der er heute ist.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel Zweiunddreißig
    Vera wollte mit Michael Morgan sprechen. Joe Ashworth gegenüber hätte sie es nie zugegeben, doch das letzte Gespräch mit Morgan, als sie einfach so bei ihm hereingeplatzt waren, hatte sie gründlich versaut. Irgendwas an diesem Mann – sein lässiges Körpergefühl, seine vermeintliche Überlegenheit – hatte sie aus der Ruhe gebracht, und dann hatte sie sich verheddert. Morgan liebte solche psychologischen Spielchen. Immerhin verdiente er damit seinen Lebensunterhalt. Er war auf die Leichtgläubigkeit seiner Kunden angewiesen. Aber diesmal würde sie ruhig bleiben. Sie würde ihn mit den Tatsachen konfrontieren und in die Enge treiben.
    Sie hatte sich mit Joe in dem Café in Tynemouth verabredet, in das sie mit Freya gegangen waren. Er wartete dort schon auf sie, kritzelte Notizen in sein Filofax und runzelte dabei die Stirn wie ein Schuljunge, der an seinen Hausarbeiten zu knabbern hat. Vera bestellte sich Kaffee und ein gewaltiges Stück Schokoladenkuchen. Sie kam fast um vor Hunger.
    «Was haben Sie aus den Shaws herausbekommen?»
    «Danny war tatsächlich im Willows an dem Morgen, an dem Jenny Lister ums Leben gekommen ist.»
    «So, so, war er das?» Vera wusste nicht recht, ob das eine gute Nachricht war oder ob es

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