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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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rappelte Vera sich auf und stampfte in der Lounge umher, um wieder ein Gefühl in den Gliedern zu bekommen. Dann stellte sie sich ans Feuer, das endlich doch etwas Wärme zu spenden schien, oder watschelte auf die Toilette, kehrte zu ihrem Sessel zurück und fuhr fort, etwas aufs Papier zu kritzeln, um die Entwicklung des Falls festzuhalten.
    Einmal hielt sie zehn Minuten lang inne und starrte aus dem Fenster auf einen Regenbogen, der sich übers Tal spannte. Doch die Sonne, die sich kurz gezeigt hatte, wurde bald wieder von einer Wolke verdeckt, und der Regenbogen verblasste und verschwand.
    Holly besuchte sie als Erste. Sie kam am frühen Nachmittag, völlig ausgehungert. Vera fütterte sie mit Chips und Kuchen und hörte zu, was sie über Hannah und Danny zu berichten hatte. Holly war an der High School gewesen und hatte mit ein paar Lehrern gesprochen, und mit deren Hilfe war es ihr dann gelungen, einige von den jungen Leuten aufzuspüren, die mit Danny und Hannah befreundet gewesen waren. Sie hatte in einer Bar in Hexham mit ihnen geredet, wo einer von den Jungs jobbte, um Geld fürs Reisen zu verdienen. Der hatte noch ein paar andere aus der alten Clique zusammengetrommelt.
    «Nicht dass Danny viele enge Freunde gehabt hätte», sagte Holly, den Mund voll Kuchen. «Anscheinend war er ein helles Köpfchen, aber aufgeblasen. Ziemlich arrogant. Die Lehrer würden das nie zugeben, aber man hat gleich gemerkt, dass sie ihn nicht ausstehen konnten. Die jungen Leute sind etwas nachsichtiger gewesen. Er war wohl so eine Art Anführer. Hat sich immer in den Vordergrund gespielt. Aber sie haben ihn eher bewundert als gemocht. Ich hatte den Eindruck, dass sie ihn für ziemlich cool gehalten haben, aber auch für ein wenig egozentrisch. Genau der Richtige, wenn man abends mal einen draufmachen wollte, aber keiner für eine dauerhafte Freundschaft.»
    Schon wieder dieses Wort.
    «Und was war mit seiner Beziehung zu Hannah?» Vera machte sich immer noch Notizen. Sie wollte das genau durchschauen.
    «Seine erste Freundin ist sie nicht gewesen, da waren sich alle sicher. Aber sie war die Erste, die ihm wirklich was bedeutet hat. Und offenbar war es auch das erste Mal, dass ein Mädchen ihm den Laufpass gegeben hat. Das war ein schwerer Schlag für ihn. Das Letzte, was er erwartet hätte.»
    «Hat er Simon Eliot die Schuld daran gegeben?» Das könnte wichtig sein, dachte Vera. Sie sah Holly an und hoffte, dass diese die Frage ernst nahm. «Es sieht ganz danach aus, als hätte Hannah ihn für Simon in die Wüste geschickt.»
    «Danny war damals wohl ziemlich angekotzt, aber in letzter Zeit sind sie anscheinend gut miteinander ausgekommen. In den Semesterferien hat man sie zusammen rumhängen sehen. In dem Alter ist das alles keine so große Sache.»
    Das hatte Hannah auch gesagt.
    «Es glaubt also keiner, dass Danny einen heimlichen Groll gegen den jungen Eliot gehegt hat? Er war der Typ, der seinen Groll gut hätte verbergen können.»
    «Nein», sagte Holly. «Ich hatte nicht den Eindruck, dass irgendwas in der Art zwischen ihnen gestanden hat.»
    Vera seufzte leise, und das erinnerte Holly an ihre Großmutter, wenn diese Patiencen legte. Manchmal, wenn sie alle Karten ausgespielt hatte, machte sie genau so ein Geräusch, wie es Vera eben entschlüpft war.
    «Hat irgendwer von den Kids schon mal von Michael Morgan gehört?», fragte Vera nach einer kurzen Pause. «Wissen wir, ob Danny ihn schon gekannt hat, bevor er hier im Hotel angefangen hat?»
    «Der Name hat ihnen nichts gesagt.» Holly stellte ihren Teller neben sich auf den Boden. «Aber das muss nichts heißen. Sie haben gesagt, dass Danny gern ein Geheimnis um seine Pläne gemacht hat. Das hat zu seinem Image gehört. Manchmal ist er tagelang von der Bildfläche verschwunden, und keiner wusste, was er da getrieben hat.» Sie blickte Vera an. «Tut mir leid, das ist nicht viel, oder? Wenn Sie es für wichtig halten, kann ich gern weiter rumfragen.»
    «Machen Sie heute doch einfach mal früh Schluss», schlug Vera vor. «Mit dem ganzen Wasser auf den Straßen ist es bestimmt der pure Horror, unterwegs zu sein, und Sie haben morgen einen langen Tag vor sich.» Was ihr immerhin die Genugtuung verschaffte, Holly sprachlos zu erleben. Wenigstens einmal.
     
    Vera hatte den ganzen Vormittag nichts von Charlie gehört, und nachdem Holly gegangen war, zitierte sie ihn zu sich ins Willows. Sie sah zu, wie er aus dem Auto stieg und die Treppe hochkam, vorgebeugt wie immer, so

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