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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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Beim Aufwachen fand sich Vera in einer ganz anderen Welt wieder, einem Land, in dem das Wasser die Vorherrschaft übernommen hatte. Als sie aus dem Fenster ins Tal blickte, sah sie, dass das Ufer des kleinen Sees an ein paar Stellen weggebrochen war, sein Umriss war nun gezackt, beinahe wie bei einem Spitzendeckchen. Gräben waren zu Flüssen geworden, dann in tiefergelegene Wiesen gesickert, und nun formten sie eine Kette aus kleinen Tümpeln. Aber der Himmel war nicht mehr so finster, und es regnete nicht mehr.
    Es war gerade erst hell geworden, ihr Handy hatte sie geweckt. Charlie. Großer Gott, er ist die ganze Nacht aufgewesen. «Ich habe den Wagen gefunden.» Er klang heiser, als hätte er auch die ganze Nacht geredet, doch man hörte seinen Triumph heraus.
    «Wo?»
    «Nicht weit von der Stelle, wo die Kamera ihn in Effingham aufgenommen hat. Am Ortsausgang, wo es nach Barnard Bridge geht, ist ein kleines Gewerbegebiet. Da auf dem Parkplatz steht er.»
    «Wie um alles in der Welt haben Sie den gefunden, Mann?»
    «Ich habe danach gesucht.»
    Und sie stellte sich vor, wie er in der Dunkelheit und dem Regen durch die Gegend gefahren war, in jeder Seitenstraße und auf jedem Rastplatz des Tyne Valley nachgesehen hatte.
    «Sind Sie jetzt noch dort?»
    «Ja, ich habe den Wagen vor etwa einer Stunde gefunden, mir aber gedacht, dass Sie Ihren Schönheitsschlaf brauchen.»
    «Das hätte Ihnen doch ganz egal sein müssen!»
    «Aye, na ja, ich war so erledigt, dass ich selbst weggenickt bin, bevor ich Sie noch anrufen konnte.»
    Sie lachte. «Sie sind ehrlicher, als gut für Sie ist, Charlie. Sie werden es nie in die Chefetage schaffen. Können Sie mir sagen, welche Unternehmen da ansässig sind?»
    Es gab eine Unterbrechung, und sie hörte, wie er sich in seinem Sitz umdrehte. Sie sah ihn vor sich, sah ihn das große Schild an der Einfahrt des Parkplatzes ins Visier nehmen. Sie wusste genau, wie es da ausschauen würde: ein halbes Dutzend Büroeinheiten in blitzsauberen Backsteingebäuden, in denen Versicherungsgesellschaften, IT -Firmen, ein paar örtliche und ein paar größere Unternehmen ihren Sitz hatten. Die Mieten waren dort bestimmt niedriger als in der Stadtmitte.
    Er ratterte ihr die Namen herunter.
«Swift Computing, Northumbrian Organic Foods, Fenham and Bright Communications, General –»
    «Reicht schon, Charlie. Christopher Eliot arbeitet bei
Fenham and Bright
. Sichern Sie den Wagen ab und lassen Sie niemanden in seine Nähe kommen, aber rufen Sie noch nicht die Spurensicherung, bevor ich nicht mit Eliot gesprochen habe. Beobachten Sie ihn, wenn er zur Arbeit kommt, aber halten Sie ihn nur auf, falls er versucht abzuhauen.» Dann fiel ihr ein, dass er ja die ganze Nacht auf gewesen war. «Ich schicke Holly, sie soll Sie ablösen.»
    «Ach was», sagte er. «Machen Sie sich keine Gedanken. Ich warte hier, bis Sie da sind.»
    «Aber ich fahre nicht direkt ins Tyne Valley. Ich will erst mit Morgan reden. Bevor ich mir die Eliots vorknöpfe, muss ich mir noch über ein paar Dinge Klarheit verschaffen.» Sie war schon dabei, sich anzuziehen, wühlte in den Schubladen nach frischer Unterwäsche und entschied, dass der Rock, den sie gestern getragen hatte, es für heute noch einmal tun würde. Nur gut, dass Trevira nicht knitterte. Keine Zeit zum Duschen. Die ganze Fahrt über hing sie am Telefon. Sie hatte das Headset aus ihrem Dienstwagen in Hectors Land Rover mitgenommen, mit dem sie bei der Überschwemmung besser durchzukommen hoffte.
     
    Erst glaubte sie, Michael Morgan hätte das Weite gesucht. Die Vorhänge in seiner Wohnung waren noch zugezogen, und auch wenn es noch zu früh für seine Sprechstunde war, hatte sie doch erwartet, irgendein Lebenszeichen zu erkennen, sich ausgemalt, wie er und Freya gerade ihr Biomüsli mit Joghurt frühstückten, nachdem sie eine Stunde Yoga gemacht hatten. Mit Walgesängen als musikalischer Untermalung.
    Sie hämmerte gegen die Tür, wobei sie sich bewusst war, dass die Nachbarn von gegenüber aus den Fenstern linsten. Sie erinnerten sich bestimmt noch an sie, von gestern Nacht. Jeden Augenblick würden sie jetzt die Polizei rufen. In Tynemouth funktionierte die Nachbarschaftsüberwachung sicher prima. Das war hier so eine Gegend.
    Gerade als sie dachte, sie sollte den Schaden besser klein halten und losdüsen, um sich mit Charlie zu treffen, hörte sie Schritte auf der Treppe, und jemand öffnete die Tür.
    Sie sah sofort, dass Morgan getrunken hatte. Vielleicht die

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