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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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marschierte schnell auf das Bürogebäude zu, und Joe trabte neben ihr her, um Schritt zu halten, weshalb seine Frage nur stoßweise herauskam.
    «Sie bieten Telefon- und Internetdienste an, vor allem in Entwicklungsländern. Deswegen ist Christopher Eliot ja auch so häufig unterwegs.» Nachdem sie in dem weißen Haus mit Christopher gesprochen hatte, hatte sie das Unternehmen gegoogelt.
    «Glauben Sie, dass er was mit Connies Verschwinden zu tun hat?»
    «Das weiß ich erst», sagte Vera, «wenn ich ihn gefragt habe.»
    Durch eine Schwingtür traten sie in die Empfangshalle des Unternehmens. Hinter dem Empfangstisch saßen zwei herausgeputzte Dämchen und unterhielten sich über die Überschwemmungen, genossen den Schauer des Dramatischen. «Hast du die Nachrichten gesehen? Das Auto, das da weggespült worden ist? In manchen Orten ist der Strom ausgefallen.» Zu beiden Seiten des Tisches standen große Übertöpfe mit Pflanzen, die ebenso herausgeputzt aussahen wie die beiden Frauen.
    «Kann ich Ihnen behilflich sein?» Ein derber Akzent mit vornehmer Tünche.
    «Das will ich doch hoffen, Herzchen. Ich muss dringend mit Christopher Eliot sprechen.»
    Die Antwort kam automatisch und ohne Zögern. «Mr Eliot ist den ganzen Tag beschäftigt, fürchte ich. Vielleicht kann seine Sekretärin Ihnen ja weiterhelfen.»
    Vera legte ihren Polizeiausweis auf den Tisch. «Wie ich schon sagte, ich muss dringend mit Mr Eliot sprechen. Zeigen Sie uns einfach, wo es zu seinem Büro geht. Er braucht nicht zu wissen, dass wir auf dem Weg zu ihm sind.» Sie war schon halb durch die Tür in den Gang gestürmt, da blieb sie noch einmal stehen und drehte sich um, entzückt über den entrüsteten Gesichtsausdruck der Empfangsdame. «Ein paar von unseren Kollegen werden bald auf dem Parkplatz eintreffen, um dort ihre Arbeit zu erledigen. Bitte sorgen Sie für ausreichend Tee und Kaffee. Wir sind Ihnen sehr verbunden.» Als sie hörte, wie Joe neben ihr in sich hineinlachte, hatte sie auf einmal das Gefühl, sie könnte Bäume ausreißen.
    Eliots Büro lag im ersten Stock und bot einen Blick über den Wald und die Hügel in der Ferne. Hier schien er sich viel heimischer zu fühlen als in dem weißen Haus. Er könnte genauso gut auch ein Soldat sein, dachte sie. Ein Offizier selbstredend. Einer von diesen wohlorganisierten Männern, die all ihre weltliche Habe in einem Rucksack verstauen konnten und in Afghanistan ebenso gut klarkamen wie in Südgeorgien. In seinem Reisepass hatte er bestimmt Stempel aus aller Welt. Doch im Moment war das hier sein Hauptquartier. An der Wand hing eine Landkarte, Afrika war übersät mit roten Stecknadelköpfen. Auf dem Schreibtisch stand ein Foto mit zwei kleinen Jungen darauf.
    «Ist das Patrick?» Vera deutete auf den kleineren von beiden. Er war schmal und blond, kam mehr nach seinem Vater als nach seiner Mutter.
    Eliot saß immer noch am Schreibtisch. Als Vera hereingekommen war, hatte er sich kurz erhoben. «Inspector Stanhope?» Was ebenso eine Begrüßung war wie die kühle Anfrage, weshalb sie so bei ihm eindrang. Jetzt blickte er auf das Foto. Sein Gesicht verriet mit keiner Regung, was er dachte. «Ja, das ist Patrick. Das Bild ist an seinem zweiten Geburtstag gemacht worden. Eine Woche darauf ist er ums Leben gekommen.»
    «Bei Ihnen zu Hause gibt es keine Fotos von ihm.» Das war keine Frage.
    Er runzelte die Stirn. «Jeder trauert auf seine Weise, Inspector.»
    «Haben Sie nie daran gedacht, noch ein Kind zu bekommen?»
    Vera hatte geglaubt, er würde sie anherrschen, sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern – zumindest hätte sie das an seiner Stelle getan –, aber vielleicht war er ja dankbar, einmal mit jemandem darüber reden zu können, selbst wenn es eine Fremde war wie sie.
    «Ich hätte gern noch ein Kind gehabt, aber davon wollte Veronica nichts wissen. Sie hat gesagt, das Risiko könne sie nicht eingehen. Was, wenn irgendwas passierte, irgendwas schiefging? Sie würde es nicht ertragen, noch ein Kind zu verlieren, hat sie gesagt. Das würde sie umbringen.»
    «Fanden Sie, dass sie überreagiert hat?» Veras Stimme blieb ruhig und freundlich.
    Er zuckte die Schultern. «Wie ich bereits sagte, Inspector, jeder trauert auf seine Weise.»
    «Natürlich.» Und du machst das, indem du in Bewegung bleibst, Stunden auf Flughäfen verbringst, in Lastwagen staubige Straßen abfährst. Ständig neue Gesichter, neue Orte. Keine Bindungen. «Wie haben Sie Veronica

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