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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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haben, dachte Ashworth.
    «Sie hat Jenny Lister von den Besuchen bei Ihnen erzählt», fuhr Vera fort. «Aber Jenny hatte ja sowieso Zugang zu den Akten. Sie muss gewusst haben, dass Sie Matties leibliche Mutter sind.»
    «Der Gedanke daran war furchtbar für mich», sagte Veronica. «Ich habe immer erwartet, dass Jenny irgendwann was sagt. Ich dachte, sie würde es vielleicht Simon erzählen. Er weiß nicht, dass er eine Schwester hat.»
    «Aber warum hätte sie was sagen sollen? Sie hat immer viel Wert auf Diskretion gelegt.» Vera machte eine kleine Pause und blickte die Frau an. Der Frage, die dann kam, schien sie sehr viel Bedeutung beizumessen. «Hat sie Ihnen erzählt, dass sie vorhatte, ein Buch zu schreiben?»
    Es herrschte Stille. «Simon hat es irgendwann mal erwähnt», sagte Veronica schließlich. «Hannah hat ihm erzählt, dass ihre Mutter davon träumt, die Geschichten ihrer Schützlinge niederzuschreiben. Als ob das eine edle Tat wäre.»
    «Wenn sie das Buch je geschrieben hätte, hätte sie natürlich andere Namen verwendet, aber die Menschen, die Ihnen nahestehen, hätten Sie vielleicht erkannt.» Vera sah der Frau direkt ins Gesicht. «Waren Sie deswegen so gegen die Verbindung zwischen Hannah und Simon? Weil Sie gedacht haben, Jenny könnte Ihr Geheimnis ausplaudern, wenn sie ihn zu oft sieht?»
    «Elias Jones war mein Enkel», sagte Veronica. «Diese Frauen haben zugelassen, dass er ums Leben gekommen ist.»
    «Sie haben zugelassen, dass Patrick ums Leben gekommen ist», sagte Vera mit ruhiger, sachlicher Stimme.
    Veronica schwieg bestürzt; wieder drangen die Geräusche des ansteigenden Flusses ins Haus. Ashworth dachte an ein kleines Kind, das von den Fluten mitgerissen und von der Strömung gedreht wurde, bis es mit dem Gesicht unter Wasser war, und das dann den langen Weg bis ins Meer gespült wurde.
    «Das war ein Unfall!» Nun weinte Veronica doch. «Das war etwas vollkommen anderes!»
    «Ein Kind weggegeben», murmelte Vera, als hätte Veronica gar nichts gesagt, «und ein Kind verloren. Und das Kind, das Ihnen geblieben ist, hat sich in die Tochter Ihrer Feindin verliebt. Haben Sie das so gesehen?»
    «Simon hätte was Besseres kriegen können», sagte Veronica. Aber die Antwort kam automatisch und hatte nichts zu bedeuten.
    «Wo haben Sie Connie Masters hingebracht?», fragte Vera.
    Veronica ignorierte die Frage. Es war, als würden beide Frauen kaum mitbekommen, was die jeweils andere sagte. Jede folgte ihrem eigenen Gedankengang, einem Monolog, der nur dann und wann unterbrochen wurde. Ashworth kam sich vor wie in einem dieser unverständlichen modernen Stücke im
Live Theatre
, in das seine Frau ihn manchmal zerrte. Zwei Gestalten, die redeten und redeten, ohne aufeinander einzugehen.
    «Erinnert sich Matilda wirklich noch an ihre Besuche?» Veronicas Frage kam plötzlich, aus dem Nichts.
    Diesmal antwortete Vera. «Aye, sie hat Jenny und Michael Morgan davon erzählt. Ich habe Morgan heute früh aufgesucht, um auszuschließen, dass ich mich irre. Die Besuche haben ihr viel bedeutet.»
    «Woran kann sie sich denn noch erinnern?»
    «An die Sozialarbeiterin, die sie zu Ihnen gefahren hat. Sie hat über ein Haus mit Beinen im Wasser gesprochen. Das ist das Bootshaus am See, oder? Auf dem Grundstück von dem Bild in Ihrer Eingangshalle. Greenhough.»
    «Da haben wir uns immer getroffen», sagte Veronica. «Meine Eltern wollten sie nicht bei sich im Haus haben. Es war immer noch ein schmachvolles Geheimnis.» Sie blickte auf und stellte dann die allerwichtigste Frage. «Erinnert Matilda sich noch an mich?»
    Aber Vera war schon aufgesprungen, in der Eile stolperte sie fast. «Und da haben Sie Connie und die Kleine hingebracht. Gott, ich bin ja so dämlich gewesen! Aber wieso? Haben Sie es nicht ertragen, die beiden glücklich zusammen zu sehen?» Dann schwieg sie plötzlich und blieb stehen, den Oberkörper noch der Frau zugedreht, wie eine wuchtige Statue aus Granit, und als sie dann wieder sprach, tat sie es ganz leise und wie zu sich selbst. «Aber nein, das ist es natürlich nicht gewesen.»
    Auch Ashworth war aufgestanden. Er war sich nicht sicher, was Vera nun von ihm erwartete. Sollte er ihr folgen? Veronica Eliot verhaften? Die Kommissarin war jetzt schon in der Eingangshalle, an der Tür, und hielt den Schlüssel des Land Rovers in der Hand.
    «Ich würde ihnen nie etwas antun», rief Veronica ihr hinterher. «Ich würde nie einem Kind etwas antun.» Doch ihre Stimme klang dünn

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