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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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in einer Ecke, und wenn er etwas sagte, schien das im ganzen Raum widerzuhallen.
    Langsam hob sie den Blick und sah ihn an. «Schon in Ordnung.»
    «Die Tote heißt Jenny Lister», fing er an. «Sagt Ihnen der Name irgendwas?»
    Sie schüttelte den Kopf. «In meinen Kursen ist sie nicht gewesen. Aber ich mache ja auch meistens die Dehnungsgymnastik für die über Fünfzigjährigen, und dafür war sie ja wohl noch zu jung.»
    «Aye», sagte er. «Tut mir leid, dass die Chefin Sie dazu gebracht hat, die Leiche anzuschauen.»
    «Überhaupt», fuhr Lisa fort, «so alt hat sie noch gar nicht ausgesehen. Vielleicht ist sie ja in den Kurs von Natalie gegangen, einen Mutter-Kind-Kurs. Heute gibt es ja immer mehr junge Mütter in den Vierzigern. Sie sollten Natalie einmal fragen.»
    «Hatten Sie den ganzen Morgen Dienst am Schwimmbecken?»
    «Nein», sagte sie. «Die ausgebildeten Bademeister kommen erst ab halb zehn, wenn die verbilligten Zeiten anfangen. Davor schwimmen nur die Sportbesessenen, und die unterschreiben einen Haftungsausschluss. Normalerweise ist immer jemand in der Nähe, aber zurzeit haben wir zu wenig Personal. Ich habe ein paar Mal vorbeigeschaut, aber nichts Ungewöhnliches gehört oder gesehen.»
    Sie schwieg kurz und sah mit leerem Blick zu ihm hoch. Ashworth merkte, dass er nicht mehr weiterwusste. Was würde Vera Stanhope jetzt tun? Sie hatte die Vermutung geäußert, dass die Kleine wegen irgendetwas besorgt war, und in der Regel lag sie mit ihrem Gespür für Menschen richtig. «Wie ist es so, hier zu arbeiten?»
    Er sah, dass die Frage Lisa überraschte. Was konnte das mit dem Mord zu tun haben?
    Argwöhnisch blickte sie ihn an. «Ist schon okay. Normalerweise.»
    «Das hier bleibt unter uns», sagte Ashworth. «Ich gebe nichts von dem, was Sie sagen, an Ihren Chef weiter.»
    «Der ist in Ordnung.»
    Vielleicht hat sie ja gar keine Angst, dachte Ashworth. Vielleicht ist sie einfach nur ein maulfauler, mürrischer Teenager. Er hatte selbst jüngere Schwestern und wusste noch genau, wie die seine Eltern mit ihrem Schweigen und den Launen in den Wahnsinn getrieben hatten.
    «Gibt es sonst noch was, das ich Ihrer Meinung nach wissen sollte, irgendwas Ungewöhnliches, worüber man nicht gern redet, das aber für unsere Ermittlungen von Bedeutung sein könnte?» Er sprach eindringlich, unterdrückte jedoch den Impuls, die Stimme zu heben.
    Lisa stellte ihren Latte macchiato ab. Sie sah aus, als fühle sie sich unwohl, und zwirbelte eine Haarsträhne um die Finger. «Da sind Sachen verschwunden», sagte sie. «In den letzten paar Wochen erst.»
    «Was für Sachen?»
    «Geldbörsen, Kreditkarten, Armbanduhren.»
    «Aus den Umkleideräumen?» Wieso hat Taylor das nicht erwähnt? Das könnte uns ein Motiv liefern, wenn Jenny Lister den Missetäter auf frischer Tat ertappt hat.
    «Ein- oder zweimal auch», sagte Lisa. «Öfter aber aus dem Pausenraum für die Angestellten. Deswegen wollte Ryan auch keinen Bericht darüber schreiben, und er ist damit durchgekommen. Er wollte es eben nicht an die große Glocke hängen. Wollte nicht, dass die Leute ihre Mitgliedschaft kündigen, weil sie glauben, dass hier jemand klaut. Nicht solange Louise, die Hauptgeschäftsführerin, nicht da ist.»
    Und deswegen hat er auch mir nichts gesagt.
    Lisa blickte wieder zu ihm hoch. «Die glauben, dass ich es war», sagte sie. «Ryan nicht, der ist in Ordnung. Anständig. Er weiß, dass ich an so was nicht mal denken würde. Aber die anderen von der Belegschaft. Ich habe gehört, wie sie tratschen. Das liegt daran, dass mein Dad mal gesessen hat und ich im Westend wohne. Man muss bloß sagen, wo man wohnt, und schon verdächtigen sie einen. Aber ich war das nicht. Ich mag den Job hier. Da werde ich keinen Mist bauen.»
    Ashworth nickte. Die Sozialwohnungen im Westend von Newcastle waren in seiner Jugendzeit berüchtigt gewesen und standen auch heute noch im Ruf, Nährboden für Kriminalität und Bandenwesen zu sein, trotz des privaten Wohnungsbaus, der um die Gegend herum entstanden war. Vera hatte also mal wieder recht gehabt, dachte er. «Haben Sie irgendeine Vermutung, wer es gewesen sein könnte?»
    Sie zögerte. Man hatte ihr sicher beigebracht, niemanden zu verpfeifen.
    «Ich werde hier schon nicht mit Handschellen auftauchen», sagte er. «Aber Sie arbeiten hier. Ich frage Sie nur nach Ihrer Meinung.»
    Er sah, wie sie sich das durch den Kopf gehen ließ und dann schüchtern lächelte. Wahrscheinlich wurde sie nicht oft

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