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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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nach ihrer Meinung gefragt. Sie dachte nach.
    «Es ging los, als Danny angefangen hat, hier zu arbeiten.»
    «Danny?»
    «Danny Shaw. Der bei der Putzkolonne aushilft. Ich habe gehört, wie Ryan der fetten Kommissarin von ihm erzählt hat. Er geht zur Uni. Seine Mum arbeitet an der Rezeption.»
    «Wie ist er denn so?»
    Sie hielt inne, um nach dem richtigen Ausdruck zu suchen, und verschränkte die Arme vor der Brust. «Ein bisschen durchtrieben. Er erzählt einem, was man hören will. Und das Putzen hat er auch nicht gerade erfunden. Aber Männer putzen wahrscheinlich generell nicht so besonders gut, oder?»
    Diese Weisheit hatte sie bestimmt von ihrer Mutter, dachte Ashworth, sie klang jetzt wirklich wie eine ältere Frau. Lisa warf ihm einen Blick zu. «Aber er sieht echt scharf aus. Die Mädchen hier sind alle total in ihn verknallt.»
    «Ist eine von ihnen mit ihm zusammen?»
    Sie schüttelte den Kopf. «Er hält sie alle hin, flirtet rum und schmeichelt sich ein, aber man sieht gleich, dass es nur ein Spiel für ihn ist. Er hält sich für was Besseres.»
    «Und was ist mit Ihnen?», fragte Ashworth, so wohlwollend, als ginge er selbst auf die sechzig zu und wäre ihr Onkel. «Haben Sie einen netten Freund?» Er hoffte, dass sie einen hatte. Er hoffte, dass sie glücklich war.
    Wieder sah sie ihn ganz ernst an. «Noch nicht. Ich habe ja gesehen, wie’s bei meiner Mutter war. Verheiratet mit siebzehn, und mit einundzwanzig schon drei Kinder. Ich lasse mir Zeit. Ich muss an meine Karriere denken.» Sie blieb kerzengerade sitzen, die Hände auf die Knie gelegt, bis er ihr zulächelte und sagte, sie könne dann gehen.
     
    Karen Shaw, die Frau am Empfang, wollte gerade aufbrechen. Sie saß an ihrem Tisch und starrte auf die Uhr an der gegenüberliegenden Wand, und kaum sprang der Minutenzeiger auf die volle Stunde, da war sie auch schon vom Stuhl gerutscht, hatte ihre Zeitschrift zusammengerafft und sich die Strickjacke um die Schultern gelegt. Ashworth fragte sich, wieso Taylor sie den ganzen Nachmittag dort hatte sitzen lassen. Vielleicht hatte er sie ja ganz einfach vergessen. Oder Vera hatte von ihr verlangt, dass sie bis zum Ende ihrer Schicht dablieb.
    «Haben Sie einen Moment Zeit?»
    Sie funkelte ihn an. «Nach so einem Tag will ich nur noch nach Hause, ein heißes Bad nehmen und ein großes Glas Wein trinken.»
    «Aber Sie hatten ja wohl kaum zu viel zu tun. Heute Nachmittag ist doch niemand mehr gekommen.»
    «Nein», sagte sie. «Und vor lauter Langeweile hätte ich fast noch mein letztes bisschen Verstand verloren.» Sie hängte sich die Tasche über die Schulter. «Schauen Sie, selbst an richtig guten Tagen ist das hier nicht gerade der anspruchsvollste Job. Heute allerdings war es nicht zum Aushalten.» Er spürte die Energie, die sie versprühte.
    Er schenkte ihr sein schönstes Lächeln, das, von dem seine Mutter sagte, damit könne er einen Eisberg zum Schmelzen bringen. «Ich sage Ihnen was, Sie widmen mir eine halbe Stunde Ihrer Zeit, und ich lade Sie auf Ihr Glas Wein ein.»
    Sie zögerte, dann grinste sie. «Dann aber besser nur ein kleines. Ich muss noch fahren.»
    Sie führte ihn nach oben in die Hotelbar. Das ganze Gebäude wirkte leer, fast schon unheimlich. Ashworth fühlte sich an den Horrorfilm erinnert, den Sarah ihn neulich Abend gezwungen hatte, im Fernsehen anzuschauen. Sie hatte einen Hang zum Makabren. Er stellte sich vor, wie ein Mann mit einer Axt auf den leeren Fluren auftauchte. Nur, dass Jenny Lister nicht mit einer Axt umgebracht worden war.
    Die Bar war kleiner als die Lounge und anders eingerichtet. Vor seinem inneren Auge sah Ashworth Männer in weißen Anzügen und Frauen in Zwanziger-Jahre-Kleidern mit Stirnbändern und langen Zigarettenspitzen. An den Wänden hingen Regale mit Cocktailgläsern, und auf dem geschwungenen Holztresen stand ein silberner Cocktailshaker. Dahinter saß ein pickliger Jüngling auf einem hohen Barhocker und las den Sportteil des Chronicle, was die ganze Atmosphäre auf einen Schlag zunichte machte. Offenbar waren alle Angestellten angewiesen worden, einfach weiter zu arbeiten, als hätte es im Schwimmbad keinen Mord gegeben. Der Junge nahm ihnen die Störung unübersehbar übel. «Tut mir leid, aber das Hotel ist geschlossen.»
    Karen ließ ein Lächeln aufblitzen. «Ich arbeite hier, und der da ist von der Polente.»
    Sie setzten sich an einen Tisch am Fenster, das in Richtung des Flusses auf den Garten hinausging, sie mit einem Glas

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