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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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Diebstähle, die hier verübt worden sind?»
    Sie trank ihr Glas aus und stellte es auf den Tisch, ihre Stimme blieb ruhig. «So was passiert doch überall, oder nicht? Das ist belanglos. Hier arbeiten solche und solche. Ich sehe nicht, was das mit dem Mord zu tun haben könnte.»
    «Aber es hat doch bestimmt für böses Blut gesorgt. Für Gerüchte. Es ist nicht schön, wenn man denken muss, dass ein Kollege einen womöglich bestiehlt.»
    Sie zuckte die Achseln. «Ich versuche, nicht so viel auf den Klatsch zu geben.» Wieder raffte sie die große, weiche Tasche zusammen. «Wenn das alles ist? Zu Hause warten ein heißes Bad und ein kühles Glas Wein auf mich. Eins reicht mir nie so ganz.»
    Er blieb, wo er war, und blickte aus dem Fenster, bis sie durch den Haupteingang aus dem Hotel nach draußen trat. Sie zog ein Handy aus der Tasche, drückte eine Taste und hielt es sich ans Ohr. Am Auto drehte sie sich um, und er konnte sehen, dass sie die Stirn runzelte und aufgebracht war. Er hätte seine Pension bei der Polizei darauf verwettet, dass sie mit ihrem Sohn sprach.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel Sieben
    Im Haus der Listers versuchte Vera, Hannah dazu zu überreden, wenigstens für ein paar Tage zu Simons Eltern zu ziehen, doch das Mädchen weigerte sich. «Ich werde doch eh die ganze Nacht aufbleiben und heulen – und mir wahrscheinlich ziemlich einen antrinken. Das kann ich nur hier daheim.»
    «Wir können auch eine Polizeipsychologin kommen lassen, die über Nacht bei Ihnen bleibt.»
    «Nein», sagte Hannah. «Das will ich nicht. Das könnte ich nicht ertragen.»
    Sie ging zurück zum Fenster und starrte in den Garten hinaus, der jetzt ganz im Schatten lag.
    «Bleiben Sie hier bei ihr?» Diese Frage richtete Vera an Simon. Das Mädchen beachtete die beiden nicht mehr.
    «Natürlich», sagte Simon. «Ich mache alles, was sie will.»
    Er stellte sich hinter Hannah und schlang seine Arme um sie. Dass Vera ging, schienen die beiden gar nicht zu bemerken.
     
    Als sie aus dem Dorf fuhr, sah Vera das weiße Haus, von dem Hannah gesagt hatte, es gehöre Simons Eltern. Kurz entschlossen lenkte sie den Wagen in die Kiesauffahrt. Simon und Hannah waren in ihren Augen immer noch kaum mehr als Kinder, und sie hätte sich wohler gefühlt, wenn sie gewusst hätte, dass sich ein Erwachsener um das Mädchen kümmerte oder zumindest ein Auge darauf hatte, was geschah. Außerdem waren Simons Mutter und Jenny Lister ja vielleicht befreundet gewesen. Die Frau konnte ihr unter Umständen wertvolle Hinweise liefern.
    Schon als sie an der hohen Eibenhecke vorbeifuhr, sah Vera, dass das Grundstück tadellos gepflegt war. Die Osterglocken waren schon fast wieder verblüht, aber der Garten bot dennoch ein Farbenmeer dar: büschelweise blaue Hyazinthen, Vergissmeinnicht und dunkelvioletter Nieswurz. Sogar der Rasen war dieses Frühjahr schon das erste Mal gemäht worden. Entweder ist die Frau verrückt nach Gartenarbeit, oder sie bezahlt jemanden dafür, dass er ihr hilft. Vera konnte gepflegte Gärten nicht ausstehen, und sie war eher dafür, Essbares anzupflanzen als Blumen. An den feuchten Stellen ihres Gartens ließ sie Löwenzahn wachsen, aus dessen Blättern sie bei den seltenen Gelegenheiten, zu denen ihr nach einer gesunden Mahlzeit zumute war, einen Salat machte. Ihre Nachbarn waren in die Jahre gekommene Hippies und froh darüber, dass im Garten nebenan keine Ordnung herrschte. Vera fragte sich flüchtig, was sie wohl von diesem Garten hier halten würden.
    An einem der Fenster im oberen Stock bewegte sich jemand. Der Motorenlärm hatte offenbar Aufmerksamkeit erregt. Vera überlegte, ob sich die Neuigkeit von Jennys Tod schon im Dorf herumgesprochen hatte. Hatte Simon, bevor er ging, seiner Mutter noch erzählt, dass die Mutter seiner Freundin tot war? Eher nicht, dachte Vera. Er war so schnell da gewesen, um sich um Hannah zu kümmern, dass er wohl kaum die Zeit für ein Gespräch gehabt hätte.
    Niemand kam an die Tür. Simons Mutter – wenn sie das im oberen Stock gewesen war – wollte wohl nicht, dass man sie für eine Frau hielt, die aus Fenstern späht. Oder vielleicht hoffte sie, dass die Besucherin wieder wegfuhr?
    Vera klingelte, dann hörte sie Schritte auf der Treppe, und die Tür wurde geöffnet.
    «Ja bitte?» Die Frau war groß, über fünfzig, vielleicht so alt wie Vera, aber ebenso adrett und zurechtgemacht wie der gnadenlos gepflegte Garten. Dunkle, in einer Welle aus dem Gesicht gekämmte Haare,

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