Seelentod
Und weil sie wusste, dass Joe Kaminfeuer mochte. Ihre Nachbarn hatten bei einem Kerl an der Grenze zu Schottland ein halbes Lamm gegen eine Ladung Brennholz eingetauscht und ihr davon etwas geschenkt; eines Abends war sie nach Hause gekommen und hatte das Holz säuberlich aufgestapelt vor dem kleinen Schuppen hinter dem Haus gefunden. Das Pärchen war immer gut für solche freundlichen Gesten, und sie war froh, dass es sie gab, ertrug ohne Murren die Sonnwendfeiern, bei denen Dutzende der seltsamsten Leute auf dem Feld vor ihrem Haus campten, und wenn sie Dope rauchten, stellte sie sich blind – sogar wenn es aus Gedankenlosigkeit bei ihr im Haus geschah.
Vera ließ die Vorhänge offen, holte das Bier aus der Küche und legte einen Laib Brot und ein Stück Käse auf ein Brett. Sie setzten sich auf die beiden kleinen Stühle und streckten die Füße dem Feuer entgegen. Vera dachte, dass sie dem Glück nie näher kommen würde als in solchen Momenten.
Ashworth unterbrach ihre Gedanken. «Was halten Sie von der Verbindung zu dem Elias-Jones-Fall? Hat das was zu bedeuten oder lenkt es uns bloß vom Eigentlichen ab?»
Sie überlegte einen Augenblick, spürte dem metallischen Geschmack des Biers und der Blechbüchse auf der Zunge nach. «Wichtig ist es auf jeden Fall», sagte sie. «Ich meine, auch wenn es kein unmittelbares Mordmotiv liefert. Weil es uns eine Menge über Jenny Lister mitteilt.»
«Nämlich?»
«Sie war tüchtig, organisiert. Kontrollsüchtig. Wollte Arbeit und Privates nicht miteinander vermischen. Sie hatte Prinzipien. Prinzipien machen einen nicht immer beliebt. Wenn sie jemanden bei etwas erwischt hätte, was sie für falsch hielt, hätte sie niemals Stillschweigen bewahrt.»
«Denken Sie dabei an die Diebstähle im Willows?»
Vera nahm sich Zeit, um das zu erwägen. «Kann sein, auch wenn es wie eine Bagatelle aussieht. Ich denke aber mehr an etwas, was im Dorf vor sich ging.» Sie grübelte über Veronica Eliot nach, das makellose Haus und die Vorzeigefamilie. Nichts im Leben war je so vollkommen – was also ging da unter der Oberfläche tatsächlich vor?
Ashworth sah auf seine Armbanduhr.
«Ist schon gut, Joe», sagte sie milde. «Sie können jetzt unbesorgt nach Hause fahren. Die Blagen sind bestimmt schon im Bett. Eisen Sie Holly morgen mal von Jennys Tochter los und schauen Sie, ob einer von Ihnen beiden diesen geheimnisvollen Liebhaber aufspüren kann. In einem Dorf von der Größe weiß doch sicher irgendwer was. Vielleicht hat jemand ein fremdes Auto gesehen oder ist den beiden in Hexham über den Weg gelaufen.»
Er stand auf. Sein Gesicht war vom Feuer ganz rot. Oder womöglich hatte ihr Seitenhieb mit den Kindern ja einen wunden Punkt berührt. «Und was haben Sie vor?»
Sie rührte sich nicht. Er fand schon allein hinaus. «Wie ich bereits sagte, ich werde einen Besuch im Krankenhaus machen.»
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Kapitel Sechzehn
Mattie lag in einem Seitenflügel des Krankenhauses; in der Zimmerecke saß eine Wärterin aus dem Gefängnis mit einem Stapel Zeitschriften auf dem Schoß und einer Tüte Schokokugeln in der Hand. Gütiger Himmel, dachte Vera. Ich wette, die Frau kann ihr Glück kaum fassen. Eine Auszeit vom Knast! Die Wärterin war recht jung, dunkelblond und hatte einen gewaltigen Busen, über dem sich die weiße Uniformbluse an den Knöpfen spannte. Sie wirkte gutmütig, so als würde sie abends gern mal einen draufmachen und mit Vergnügen ein paar Tage auf ihrem Allerwertesten verbringen, wenn sie nur ausreichend Klatschmagazine und Schokolade hatte.
«Hallöchen!» Und freundlich war sie auch. Das gefiel Vera. Was auch immer Mattie getan hatte, Vera wollte nicht denken müssen, dass sie verängstigt und von allen verlassen im Krankenhaus lag. «Die Schwester hat mir schon gesagt, dass Sie kommen. Ich verdünnisiere mich dann am besten mal, damit Sie miteinander reden können, ja? Um ehrlich zu sein, ich brauche dringend eine Kippe.» Sie blickte Vera forschend an, legte die Zeitschriften aber auf den Stuhl und verschwand. Ihre Nikotinsucht war stärker als die Neugier.
Vera zog sich einen Stuhl näher ans Krankenbett. Die Frau sah sehr jung aus. Auf dem Schränkchen neben dem Bett lag ein Fächer, und trotzdem war ihr Gesicht gerötet und fiebrig. «Ihre Temperatur ist immer noch zu hoch», hatte die Schwester gesagt. «Sie hat die ganze Nacht Halluzinationen gehabt. Aber seit heute Morgen scheinen die Antibiotika zu wirken.»
«Was für
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