Seelentod
Mörder finden.» Sie fischte eine Visitenkarte aus der baumwollenen Einkaufstasche von Sainsbury, die ihr als Aktentasche diente, und kritzelte die Nummer ihres Handys auf die Rückseite. «Jenny Lister war ein guter Mensch.»
Aber als sie den breiten, blankgewischten Korridor des brandneuen Krankenhauses hinunterging, fragte sie sich, ob das wirklich stimmte. Wenn Jenny Lister tatsächlich vorgehabt hatte, ein Buch über den Elias-Jones-Fall zu schreiben, hätte sie das Vertrauen ihres Schützlings für ihre eigenen Interessen missbraucht. Solche Bücher über wahre Verbrechen und berühmte Morde verkauften sich zu Tausenden, und ein Buch von einer Sozialarbeiterin, die mit dem Fall befasst gewesen war, würde gewaltige Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Jenny Lister wäre reich geworden. Und das schien nicht recht zu dieser Frau zu passen, die Vera langsam zu kennen geglaubt hatte. Aber warum sollte Mattie sich so was ausdenken?
Vera fuhr in hohem Tempo über die A1 und rief Holly an, sobald sie in die Ausfahrt nach Hexham gebogen war. «Sind Sie noch bei den Listers?»
«Ja.» Nur dieses eine Wort, aber Vera merkte sofort, dass Holly eingeschnappt und auf der Hut war. Ashworth hatte sich wohl schon mit ihr in Verbindung gesetzt und ihr gesagt, sie solle ihre Stellung dort räumen.
«Wie geht es Hannah heute Morgen?»
«Sie steht immer noch total unter Schock und läuft wie in Trance herum, aber wenigstens hat sie letzte Nacht geschlafen. Der Arzt hat ihr eine Schlaftablette dagelassen, und Simon hat sie überredet, sie zu nehmen.»
«Ist er noch da?»
«Er ist gerade weg», sagte Holly. «Sein Vater ist von einer Dienstreise aus dem Ausland zurückgekommen, und seine Mutter kocht für die ganze Familie. Da herrscht Anwesenheitspflicht.» Eine Pause. «Hören Sie, Chefin, ich denke wirklich, ich sollte noch hierbleiben. Hannah sollte nicht allein sein, und die Polizeipsychologin kann erst heute Nachmittag kommen.»
«Kein Problem», sagte Vera. «Ich muss sowieso mit Hannah reden, also packen Sie mal hübsch Ihre Sachen und machen sich abfahrbereit. In einer halben Stunde bin ich da.» Ich muss ja wirklich ein abscheulicher Mensch sein, dachte sie, während sie einen Lkw überholte, der Holz geladen hatte, dass mir dieses Telefonat so viel Spaß gemacht hat.
Hannah wirkte immer noch wie unter Drogen, als Vera eintraf. Sie saß in einem Schaukelstuhl am Küchenfenster und starrte hinaus auf die Blaumeisen, die an einem Erdnussknödel pickten, der am Futterplatz hing. Holly umarmte sie innig, bevor sie ging, aber Hannah reagierte kaum. Was Holly bestimmt sauer aufstieß, dachte Vera: Sie hatte ja wirklich ein gutes Herz, aber es musste schon auch was vom anderen kommen.
«Ich weiß ja nicht, wie es bei Ihnen ist», sagte Vera. «Aber ich bin am Verhungern. Gibt es hier irgendwas Essbares?»
Hannah drehte sich um, zuckte aber nur die Achseln. Sie sah aus, als hätte sie in den beiden Tagen, seit ihre Mutter ums Leben gekommen war, mehrere Pfund abgenommen, dabei war sie ohnehin schon sehr schlank gewesen. Vera dachte, dass Holly besser daran getan hätte, eine anständige Mahlzeit für das Mädchen zu kochen, anstatt mit ihr herumzusitzen und sich an Hannahs Kummer zu laben.
Das Gefrierfach war gut gefüllt, und alles war beschriftet. Jenny Lister, Superwoman. Vera fand einen Behälter mit selbstgekochter Suppe und eine Tüte mit Vollkornbrötchen. Sie stellte die Suppe in die Mikrowelle und legte die Brötchen in den Ofen, damit sie auftauten und knusprig wurden. Ihre Auffassung vom Kochen. Während sie den Tisch deckte, achtete sie nicht weiter auf Hannah, dann rief sie sie zum Essen.
«Ich habe eigentlich keinen Hunger.» Hannah sah sie mit einem trüben, trauerumflorten Blick an.
«Aber ich, und Ihre Mutter hat Ihnen sicher beigebracht, dass es unhöflich ist, anderen beim Essen einfach nur zuzuschauen.»
Hannah erhob sich aus dem Schaukelstuhl und setzte sich zu Vera. Sie stützte die Ellbogen auf den Tisch, während Vera Suppe in einen Teller schöpfte. Es roch köstlich – nach Tomate und Basilikum –, und ganz gegen ihren Willen tauchte Hannah ihren Löffel ein und streckte die Hand aus, um sich ein Stück von einem Brötchen abzubrechen.
Vera wartete, bis die Suppe aufgegessen war, bevor sie etwas sagte.
«Wussten Sie, dass Ihre Mutter Mattie Jones im Gefängnis besucht hat?»
Hannah sah jetzt ein wenig frischer aus, wacher. «Sie hat nie viel über ihre Arbeit gesprochen.»
«Mattie
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