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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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wäre sie erleichtert über die Unterbrechung.
    Draußen auf dem Bürgersteig holte Vera tief Luft; sie fühlte sich wie eine Entkommene, geradezu als wäre sie aus dem Gefängnis in Durham geflohen. Sie rief Ashworth an. «Wo stecken Sie?»
    «Ich gehe noch mal von Haus zu Haus.» Er dämpfte die Stimme. «Die Holzköpfe, die gestern unterwegs waren, haben ein paar Dinge übersehen.»
    «Ist was Nützliches dabei?»
    «Ich kann jetzt nicht ins Detail gehen.» Vera stellte sich vor, wie er in einem der Häuser hier in der Straße stand. Bestimmt hatte er sich entschuldigt und war aus dem Wohnzimmer getreten, um den Anruf entgegenzunehmen, und jetzt drückte er sich in einen engen Flur, während die Hausbewohner auf der anderen Seite der Tür die Ohren spitzten, um jedes Wort mitzubekommen.
    «Geben Sie mir noch eine halbe Stunde», sagte sie. «Ich möchte kurz mit der ehemaligen Sozialarbeiterin reden, die Sie so ins Herz geschlossen haben. Dann will ich Michael Morgan einen Besuch abstatten, und ich will, dass Sie dabei sind. Charlie kann hier weitermachen. Holly habe ich losgeschickt, um mit Lawrence May zu sprechen, dem Kerl, mit dem Jenny zusammen war.»
    Auf dem Weg zu Connies Cottage fuhr sie am Haus der Eliots vorbei. Auf der Auffahrt stand ein neuer Wagen, irgendwas Niedriges, Sportliches. Der Herr des Hauses war zurückgekehrt, und das feierte die Familie jetzt mit einem Festessen, während Hannah um ihre Mutter trauerte.
    Vera war in den Bergen aufgewachsen, und diese baumbestandenen Dörfer in der Ebene waren ihr nicht geheuer. Sie selbst würde nie so nah am Fluss wohnen wollen; sie dachte an Überschwemmungen, Stechmücken, Krankheiten. Selbst die Lämmer sahen überfüttert und fett aus.
     
    Als sie Ashworth dann traf, nach ihrem Gespräch mit Connie, sagte der, er wolle mit seinem eigenen Wagen nach Tynemouth fahren, jenem Städtchen, in dem Morgan wohnte und praktizierte. Es lag meilenweit von Barnard Bridge entfernt, direkt an der Küste. Von dort, meinte er, könne er doch gleich weiter nach Hause fahren. Er habe oft genug bis spät in die Nacht gearbeitet. Seine Frau bringe ihn sonst um. Aber Vera bestand darauf, dass er bei ihr mitfuhr. «Wir können da nicht völlig unvorbereitet hin. Mensch, das hier ist vielleicht unsere heiße Spur. Wir müssen es wenigstens kurz mal durchsprechen.»
    «Kann das denn nicht bis morgen früh warten? Dann hätten wir die Möglichkeit, uns richtig auf die Befragung vorzubereiten.»
    Aber wie sie da so in der milden Frühlingssonne vor einem Geschäft standen, spürte Vera genau, dass sie nicht noch eine Nacht warten konnte, bis sie sich Morgan vorknöpfte. Das würde sie nicht überleben. Hin und wieder überkam sie ein Hang zur Unbesonnenheit, zum spontanen Handeln. Natürlich wäre es vernünftig, zu warten, die Sache von allen Seiten zu beleuchten, doch sie konnte es einfach nicht.
    «Wenn es spät wird, bringe ich Sie nach Hause», sagte sie. «Und morgen früh hole ich Sie wieder ab. Es bricht ja nicht gleich die Welt zusammen, nur weil Sie Ihr Auto über Nacht hier stehen lassen müssen.»
    Und dagegen konnte er nichts mehr sagen. Er stieg neben ihr in den Wagen. Sie war sich sicher, dass er genau wie sie darauf brannte, mit Morgan zu sprechen. Er musste nur immer erst die Form wahren und seiner Familie den Vorrang geben.
    «Was haben Sie denn nun herausgefunden bei Ihrer Tour von Tür zu Tür?» Vera fand, dass sie eine gute Fahrerin war. Es lag ihr im Blut. Diese kleinen Straßen konnten ganz schön haarig sein, wenn man sie nicht kannte, aber sie konnte sich kein Herumtrödeln leisten. Dann merkte sie, wie Ashworth neben ihr verkrampfte, und nahm den Fuß vom Gaspedal. Es war wichtig, dass er sich konzentrierte. Sie lauschte seinem Bericht über die Unterhaltung mit Jennys Nachbarin.
    «Sie glaubt also, Lister hat sich in einen ihrer Schützlinge verknallt?»
    «Da war sie sich nicht ganz sicher», sagte Ashworth. «Sie wusste nur, dass es jemand ganz und gar Unpassendes war.»
    «Aber sie wird sich das mit dem Schützling doch nicht aus den Fingern gesogen haben!» Vera war jetzt ganz aufgeregt. «Vielleicht hat Jenny ja was gesagt, eine Bemerkung fallen lassen, die Hilda auf den Gedanken gebracht hat. Und das hat sie behalten, auch wenn sie sich an den eigentlichen Wortlaut nicht mehr erinnern kann.»
    «Schon möglich.» Vera sah, dass Ashworth dachte, sie würde mal wieder aus einer Mücke einen Elefanten machen. Oft genug war er es, der sie

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