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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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mir beigebracht, die Kirche zu verachten. Aber einen gewissen Reiz habe ich trotzdem immer verspürt. Verbotene Früchte, Sie wissen bestimmt, wie das ist.»
    «Was wollen Sie dann?» Mittlerweile war Connie so gereizt, dass sie die schlafende Alice vergaß und ihre Stimme erhob.
    In einer halb tadelnden, halb ironischen Geste legte die Frau einen Finger an die Lippen. «Wir wollen doch nicht, dass die Kleine wach wird. Ich habe sie durchs Fenster gesehen. Niedlich. Sollen wir uns hier draußen unterhalten? Ich bin Vera Stanhope, Detective Inspector bei der Polizei Northumbria. Sie haben gestern mit meinem Kollegen Joe Ashworth gesprochen.»
    «Sie sind von der Polizei?» Connie staunte. Und nicht bloß Polizistin, sondern verantwortliche Kommissarin!
    «Ich weiß, Herzchen, das ist schwer zu glauben. Aber wir sind nun mal nicht alle hübsche kleine Jungs wie Joe.» Sie setzte sich schwerfällig auf die Holzbank vor dem Fenster und klopfte auf den Sitz, um Connie zu bedeuten, dass sie sich dazusetzen sollte. «Lassen Sie die Tür offen, dann hören wir, wenn die Kleine aufwacht.»
    Und zu ihrer eigenen Überraschung gehorchte Connie.
    «Jenny Lister», sagte Vera.
    «Ich habe Ihrem Sergeant schon alles gesagt, was ich weiß.» Aber stimmte das auch? Die Einzelheiten tröpfelten langsam in ihr Gedächtnis zurück. Wie der Umstand, dass Jenny gesagt hatte, sie wolle Michael Morgan aufsuchen.
    Vera sah sie aufmerksam und unverwandt an. «Bestimmt nicht alles», sagte sie. «Aber wie dem auch sei, es geht voran. Es gibt neue Hinweise, denen wir nachgehen müssen, neue Fragen stellen sich.» Sie schwieg kurz. «Wussten Sie, dass Jenny vorhatte, ein Buch über den Elias-Jones-Fall zu schreiben?»
    «Nein.» Das war nicht das, was sie erwartet hätte. Sie fragte sich, ob diese Frau ganz bei Verstand war. Aber als sie darüber nachdachte, fand sie die Vorstellung von Jenny als Autorin gar nicht mal so verblüffend. Jenny hatte sich immer im Recht gewähnt und es wahrscheinlich als ihre Pflicht angesehen, ihre Weisheit mit der Welt zu teilen.
    Vera nickte und fuhr ohne Unterbrechung fort.
    «Wussten Sie, dass sie Mattie Jones jede Woche im Gefängnis besucht hat? Selbst als die Kleine noch in Untersuchungshaft war?»
    «Nein. Eigentlich nicht.» Diesmal kam die Antwort weniger entschieden heraus, und Vera bemerkte das Zögern.
    «Sie haben doch noch mit Jenny gearbeitet, ehe der Fall vor Gericht kam. Dann hätte sie Ihnen das doch sicher erzählt?»
    «Man hat mich von dem Fall abgezogen, als Elias’ Leiche gefunden wurde», sagte Connie. «Das ist gängige Praxis, auch schon vor der Anhörung durch den Disziplinarausschuss.»
    «Aber Sie waren beim gleichen Sozialamt.» Vera ließ nicht locker. «Sie müssen sich doch mal in der Teeküche begegnet sein oder auf der Damentoilette. Man sollte doch meinen, dass sie Ihnen erzählt, was sie vorhat.»
    Connie schüttelte den Kopf. «Das war nicht Jennys Art. Sie war sehr verschwiegen. Und ich war nicht mehr mit dem Fall befasst.»
    «Aber sie scheinen Sie nicht zu überraschen, die Besuche im Gefängnis.»
    «Nein.» In den Bäumen am anderen Flussufer hörte Connie die Ringeltauben rufen. Das erinnerte sie an Ferien auf dem Land, als sie noch ein Kind war, an lange Sommertage. «Mattie war für Jenny kein Schützling wie alle anderen. Sie hat sie schon seit Jahren gekannt. Jenny hätte das Gefühl gehabt, sie im Stich zu lassen.»
    «Dann ist es also so eine Art Buße gewesen?» Da kommt ja schon wieder die Religion durch die Hintertür.
    «Ja», sagte Connie. «Mag sein. Irgendwie so was.»
    «Dieses Buch …»
    «Sie hat mir wirklich nichts davon erzählt.»
    «Wie es aussieht …» – Vera hielt inne, wählte ihre Worte erkennbar mit Bedacht – «hat sie die Sache mit regelrecht missionarischem Eifer betrieben. Sie wollte der Welt zeigen, wie das Leben eines Sozialarbeiters wirklich aussieht. Die menschliche Seite. Die moralischen Zwickmühlen. Weg von den Klischees aus der Regenbogenpresse. Klingt das plausibel für Sie?»
    Diesmal schwieg Connie kurz. «Ja, das klingt ganz nach Jenny. Sie konnte ziemlich selbstgefällig sein.»
    Vera strahlte. «Halleluja! Ich habe noch nie an Heilige geglaubt. Endlich sagt mal jemand die Wahrheit über diese Frau.»
    Connie sah überrascht hoch, begegnete Veras Blick und musste auch grinsen.
    «Wussten Sie, dass Michael Morgan sich eine neue Freundin zugelegt hat? Dass die ein Kind von ihm bekommt?», fragte Vera. «Wenigstens hat er

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