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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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lachte.
    Vera stand unvermittelt auf, die Wut hatte ihr die Kraft verliehen, von dem Futon hochzukommen.
    «Ich will eine Antwort!»
    «Natürlich hatten wir keine Affäre, Inspector. Mrs Lister war eine recht hübsche Frau. Aber nicht mein Typ.»
    Vera stampfte aus dem Zimmer und überließ es Ashworth, ihr hinterherzukommen oder nicht.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel Zwanzig
    Nach Ashworths Meinung hatte Vera die Befragung von Morgan gründlich vermasselt. Das passierte ihr manchmal: Sie ließ sich von einem Zeugen aus der Ruhe bringen, wurde ganz konfus, und dann verlor sie ihr Ziel aus den Augen. Sie hätten sich Zeit nehmen sollen, um sich auf dieses Gespräch vorzubereiten, und jetzt mussten sie von dannen ziehen, obwohl wesentliche Fragen unbeantwortet geblieben waren. Nachdem Vera die Holzstufen hinunter und auf die Straße getrampelt war, blieb Ashworth noch einen Moment oben und sprach mit Morgan, dankte ihm für seine Zeit. Bei der nächsten Gelegenheit würde er noch einmal allein herkommen. Er glaubte, dass der Mann ihnen noch einiges mehr erzählen konnte. Morgan war ganz ohne Frage ein perverser Schweinehund, aber Ashworth hielt sich selbst für professionell genug, um, anders als Vera, seine persönliche Meinung aus dem Spiel zu lassen.
    Als er auf den Bürgersteig trat, waren die beiden Frauen schon unterwegs in Richtung Hauptstraße. Die Frühlingssonne stand jetzt tief, und er konnte nur ihre Silhouetten erkennen, Veras massigen Leib und die gertenschlanke Gestalt des Mädchens, und das erinnerte ihn plötzlich an den berühmten Schattenriss von Laurel und Hardy am Ende ihrer Filme. Als er sich noch einmal zum Meer umwandte, sah er am Horizont eine dichte, graue Nebelbank und in der anderen Richtung einen riesigen Tanker, der gerade aus der Mündung des Tyne kam.
    Er folgte den beiden Frauen in einiger Entfernung die Straße hinunter. Sie unterhielten sich, und er wollte sie nicht unterbrechen. Dann gingen sie in eine neue Café-Bar, und dort gesellte Ashworth sich zu ihnen. Die Bar hätte seiner Frau bestimmt gefallen. Schlichte Massivholzmöbel, blankgescheuerte Tische und Tafeln an den Wänden, auf denen stand, was es zu essen gab, hauptsächlich regionale Gerichte, Fisch und Lamm. Vielleicht würde er Sarah, wenn sie das nächste Mal einen Ausflug an die Küste machten, ja hierher ausführen. In einer Ecke standen ein paar Hochstühle, Kinder waren hier also auch willkommen.
    «Das ist Joe», sagte Vera. «Meine rechte Hand.»
    «Ich sollte heimgehen.» Das Mädchen wirkte unsicher, fühlte sich unwohl. Vera hatte es noch nicht in ihren Bann gezogen. «Michael fragt sich bestimmt, wo ich bleibe.»
    «Nur keine Eile.» Vera setzte sich und legte ihre riesigen Hände flach auf den Tisch. «Er meditiert bestimmt. Sie haben selbst gesagt, dass er beim Meditieren nicht gestört werden will.» Und darauf konnte Freya natürlich nichts mehr erwidern. «Ich nehme ein Bier, Joe. Die haben hier dieses Ale, das in Allendale gebraut wird. Und was zum Knabbern. Und Sie, meine Liebe? Sie trinken wohl keinen Alkohol, jetzt, wo das Baby unterwegs ist?»
    «Michael und ich trinken sowieso keinen Alkohol.» Freya saß sittsam da, die Hände im Schoß.
    «Umso besser. Dann also Orangensaft. Oder hätten Sie lieber ein Eis?»
    Das Mädchen sah Vera argwöhnisch an. Joe dachte, seine Chefin sollte die schnoddrigen Bemerkungen besser weglassen, aber Freya antwortete trotzdem. «Orangensaft ist prima.»
    Als Joe von der Bar zurückkam, saßen sie immer noch in unbehaglichem Schweigen beieinander.
    «Haben Sie gewusst, dass Mrs Lister umgebracht worden ist?», fragte Vera. Sie hatte den scherzhaften Ton jetzt abgelegt und sprach ernst und gedämpft.
    «Mrs Lister?» Freya sah ehrlich verwirrt aus.
    «Die Sozialarbeiterin, die Sie besucht hat, um mit Ihnen über Ihre Beziehung mit Michael zu reden.»
    «Ach, die! Ich glaube, ich habe gar nicht gewusst, wie sie mit Nachnamen heißt.»
    «Michael hat sie also mit Vornamen angeredet?»
    Ashworth fand, dass Vera jetzt wieder in Höchstform war, sicher und souverän, doch das Mädchen antwortete nicht. Der Kellner brachte ihnen die Getränke, einen Korb Brot und eine Schale Oliven.
    «Haben Sie gehört, dass Jenny Lister tot ist?», fragte Vera noch einmal.
    «Nein.» Die knappe Antwort ließ nicht erkennen, ob Freya die Wahrheit sagte oder nicht. Sie streckte eine Hand aus, nahm sich ein Stück Brot und strich Butter darauf, legte es dann aber auf ihren Teller, ohne es

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