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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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Verbundenheit zwischen den beiden spüren, wie eine elektrische Ladung, und sogleich traf sie der vertraute neidische Stich. War sie eine miesepetrige alte Kuh, dass sie immer so empfand, wenn sie ein Liebespärchen sah? Wollte sie, dass alle Menschen so einsam waren wie sie?
    Die jungen Leute traten auf den Grünstreifen, um sie vorbeifahren zu lassen, doch sie bremste. «Soll ich Sie mitnehmen?» Sie sah sofort, dass sie besser einfach vorbeigefahren wäre. Hannah war für einen kurzen Augenblick wieder glücklich gewesen, der Wirklichkeit entronnen. Als sie das Autofenster herunterließ, fiel Vera das Vogelgezwitscher in den Bäumen neben der Straße auf und sie ertappte sich dabei, wie sie versuchte, einzelne Vogelarten herauszuhören. Ihr Vater hatte sie immer abgefragt, wenn sie zusammen draußen gewesen waren. «Na los, Vee, stell dich nicht so blöd an, das musst du doch erkennen!»
    Sie hatte erwartet, dass die jungen Leute ihr Angebot rundweg ablehnen würden, und war überrascht, als sie nach kurzem Zögern einstiegen, Simon auf den Rücksitz, obwohl er so groß war, dass ihm die Knie beinahe ans Kinn stießen, und Hannah vorne.
    «Wo möchten Sie denn hin?», fragte Vera. «Sind Sie auf dem Weg nach Hause?»
    «Wo sollen wir hinfahren, Simon?» Hannah drehte sich zu ihm um. Ihre Stimme klang schrill, fast schon hysterisch. «Nach Rom? Sansibar? Auf den Mond?»
    Er streckte eine Hand aus und nahm die ihre. «Wir fahren im Sommer nach Rom», sagte er leichthin. «Oder nach Sansibar, wenn du lieber möchtest. Aber ja, Inspector, jetzt fahren wir besser nach Hause. Zu mir bitte. Es ist so ein schöner Tag, dass wir früh aufgestanden und den ganzen Vormittag spazieren gegangen sind, aber jetzt ist Hannah sehr müde, glaube ich. Nur gut, dass Sie zu unserer Rettung aufgetaucht sind. Meine Mutter hat angeboten, uns was zu Mittag zu kochen.»
    «Sie müssen sich schon besser fühlen, wenn Sie bereit sind, Ihrer Schwiegermutter gegenüberzutreten», sagte Vera mit einem Lächeln.
    «Der Arzt hat mir ein paar Tabletten gegeben, und jetzt fühle ich eigentlich gar nichts mehr.» Nach ihrem kurzen Austausch mit Simon war Hannah in sich zusammengesackt. Sie hing mit halb geschlossenen Augen zurückgelehnt im Sitz.
    «Aber du musst was essen, und keiner von uns beiden erträgt es jetzt, einkaufen zu gehen.» Er saß noch immer nach vorn gebeugt da, hatte den Gurt aufs äußerste gespannt und streichelte mit dem Daumen über ihren Handrücken.
    «Ich habe Sie nie gefragt», sagte Vera, wobei sie mit Simons Bild im Rückspiegel sprach, «wo Sie eigentlich an dem Morgen waren, an dem Jenny ums Leben gekommen ist?» Ihr war plötzlich der schreckliche Gedanke gekommen, dass er womöglich mit der Sache zu tun haben könnte. Immerhin hatte sie noch nicht überprüft, ob er ein Alibi hatte. Aber die Vorstellung, Hannahs Erretter könnte ein Mörder sein, war ihr zuwider.
    «Zu Hause», sagte er. «Hannah hat vorgehabt, zu lernen, deshalb wollten wir uns erst am Abend treffen.» Ihm musste klar sein, weshalb sie das fragte, doch er schien es ihr nicht im Mindesten übel zu nehmen.
    «War Ihre Mutter auch da?»
    «Keine Ahnung», sagte er. «Am Abend vorher war ich auf Sauftour, habe mich mit ein paar Jungs von meiner alten Schule getroffen. Hab mich erst so gegen Mittag aus dem Bett geschält. Da ist Mum nicht da gewesen, aber sie ist bald danach gekommen.»
    Sie näherten sich nun der Kreuzung, dem Abzweig ins Dorf. Vera bog ab und fuhr bis vor das große weiße Haus. Schräg gegenüber sah man Connie Masters Cottage. «Kennen Sie die Frau, die da drüben wohnt?» Vera deutete mit dem Kinn über die Straße.
    «Nein, aber ich habe da manchmal Leute gesehen. Eine Mutter mit ihrem Kind. Bleiben sie länger da wohnen? Eigentlich ist es immer ein Ferienhaus gewesen.»
    «Sie heißt Masters», sagte Vera. «Connie Masters.»
    Das riss Hannah aus ihrer Lethargie. «War das nicht die Sozialarbeiterin, die Mattie Jones betreut hat?»
    «Ganz genau. Hat Ihre Mutter mal über sie gesprochen?»
    «Ich wusste gar nicht, dass sie da wohnt. Sie hat Mum leidgetan. Wegen der Art, wie die Zeitungen mit ihr umgegangen sind. Weil sie bei der Sache mit Elias Jones einen so furchtbaren Fehler gemacht hat.»
    Während sie den beiden jungen Leuten nachsah, fragte Vera sich, was sie wohl von Hannahs Mutter gehalten hätte, wenn sie ihr je begegnet wäre. Vera konnte gutaussehende Frauen verständlicherweise nicht ausstehen, und Jennys Fähigkeiten,

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