Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
Vom Netzwerk:
ihre veränderte Einstellung erklären? Wie kompliziert solche unausgesprochenen Übereinkünfte zwischen Frauen doch immer waren! Männer handelten da sicher viel offener. Doch Veronica lächelte sie freundlich an. «Das hat mir Spaß gemacht neulich. Das müssen wir mal wiederholen.»
    Connie war ganz durcheinander. Sie blickte Veronica an, hellhörig, ob diese irgendwie sarkastisch klang oder andere, dunklere Motive deutlich wurden. Wollte sie sich über sie lustig machen?
    «Es war sehr nett von Ihnen.» Connie sah sich um. Sie war die Letzte in der Schlange; die anderen Mütter zerstreuten sich langsam. Wenn jemand hätte mithören können, dachte sie, hätte Veronica das nie so gesagt. «Warum kommen Sie nicht mal bei mir vorbei?» Connie fragte sich, wieso sie plötzlich ein Bedürfnis verspürte, sich zu revanchieren. «Wie wäre es mit heute? Kommen Sie doch zum Tee. Ich kann Ihnen zwar nichts Selbstgebackenes anbieten, aber gestern habe ich Kuchen im
Tyne Teashop
gekauft, um mir mal was zu gönnen, und der schmeckt immer gut.»
    Veronica blickte von ihrem Bogen Papier auf, und Connie machte sich auf eine Abfuhr, bestenfalls eine höfliche Entschuldigung gefasst. Hier im Dorf herrschte eine strenge Hierarchie, und selbst wenn ihre traurige Berühmtheit die Dinge nicht noch zusätzlich erschwert hätte, verkehrten sie doch in unterschiedlichen Kreisen.
    «Vielen Dank», sagte Veronica. Dann huschte ein fast schon triumphierendes Lächeln über ihr Gesicht, als hätte sie die ganze Zeit auf diese Einladung gehofft. «Sollen wir sagen, so gegen vier? Wir sehen uns dann.» Sie nahm den Scheck aus Connies Hand und legte den Füller beiseite.
    Connie ging zurück zum Cottage und fragte sich, was diesen Wandel bei Veronica bewirkt hatte. Im Ernst, worum ging es bei der ganzen Sache? Was konnte Veronica Eliot bloß von ihr wollen?
     
    Während Alice in der Spielgruppe war, machte Connie das Haus sauber. Beim Putzen und Staubsaugen versuchte sie, alles durch die Augen der Älteren zu sehen, und stellte sich die geringschätzigen Blicke vor, die über die schäbigen Möbel, die Spinnweben und den ganzen Dreck schweiften. Doch als Veronica dann kam, etwas früher als erwartet – sie tauchte überraschend in der Küchentür auf, im Arm einen Strauß Blumen aus dem eigenen Garten –, zeigte sie sich gnädig. «Du lieber Himmel, wie haben Sie das Cottage verändert! Ich war einmal zum Abendessen bei den Eigentümern hier, und da war es bei weitem nicht so gemütlich wie jetzt.»
    Aber dann setzten sie sich doch nach draußen, wo es trotz des leichten Windes angenehmer war als in dem feuchten Haus. Alice hatte ihre Gummistiefel an und planschte in dem Streifen Schlamm und Sand herum, der einen kleinen Strand zwischen dem Bach und dem Fluss bildete. Connie goss ihnen Tee aus einer Porzellankanne ein, die sie ganz hinten in der Speisekammer gefunden und für diese Gelegenheit ausgespült hatte. Wieder fiel ihr der junge Mann ein, der am Nachmittag des Mordtages aufgetaucht war. Auch da hatte sie draußen ihren Kaffee getrunken.
    Veronica erzählte von ihrem Sohn.
    «Er sagt, dass sie immer noch vorhaben, nächstes Jahr zu heiraten. Er wollte sogar mit Hannah durchbrennen, mit ihr ins Ausland fahren und sofort heiraten – wie kommt er bloß auf die Idee, das könnte ihr irgendwie über den Tod ihrer Mutter hinweghelfen! Jenny hat nicht mehr von dieser Hochzeit gehalten als ich. Stellen Sie sich nur mal vor, so eine armselige Zeremonie am Strand, inmitten von Pauschaltouristen. Ich bin froh, dass Hannah genug Verstand besitzt, um da nicht mitzumachen. Sie sagt, dass sie es ihrer Mutter schuldig ist, ihr Versprechen zu halten und zu warten, bis Simon seinen Magister hat. Das verschafft ihm zumindest ein bisschen Zeit. Wer weiß schon, was die beiden in zwölf Monaten voneinander halten?»
    «Muss er denn nicht ohnehin in ein paar Wochen zurück an die Uni, wenn das neue Semester anfängt?» Connie interessierte sich nicht sonderlich für Simon Eliots Pläne, aber sie kannte die Spielregeln. Jede Frau musste der anderen zugestehen, über Dinge zu sprechen, die ihr am Herzen lagen. Bald würde Veronica Connie über Alice reden lassen, darüber, wie aufgeweckt sie war und wie gut sie sich hier eingelebt hatte. Die Grundschule im Nachbarort hatte einen sehr guten Ruf, und es gab zu viele Anmeldungen. Veronica saß im Schulbeirat und konnte vielleicht ihren Einfluss geltend machen. Schon möglich, dass Veronica einen ganz

Weitere Kostenlose Bücher