Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
Vom Netzwerk:
so richtig. Das wäre bloß eine Geschäftsidee von ihm, eine Möglichkeit, an das zu kommen, was er will.» Das Gespräch schien Karen zu erschöpfen. Langsam holte der Schock sie ein.
    «Und was will Morgan, Herzchen? Hat Danny das auch gesagt?» Das hielt Vera für wichtig. Was war zwischen dem Studenten und dem älteren Mann vor sich gegangen? Sie hoffte, dass Karen sich noch lang genug zusammennehmen konnte, um zu antworten.
    «Offenbar dasselbe wie jeder andere auch. Ein anständiges Einkommen. Ein schönes Zuhause. Frau und Kinder.»
    «Aber seine Freundinnen sind doch immer so jung!»
    «Ich weiß, und Danny klang, als würde er Morgan deswegen bewundern. Es war schlimm. ‹Schau doch, wie er seine Freundinnen behandelt!›, habe ich immer gesagt. Und Danny hat nur gegrinst. Er hat gesagt, Morgan würde nun mal schöne Dinge mögen, und junge Frauen wären in der Regel schöner als ältere. Daran könnte er nichts Falsches finden.» Plötzlich brach Karen ab und verengte die Augen zu Schlitzen. Sie sah aus wie eine Katze, die gleich fauchen und kratzen würde. «Glauben Sie etwa, dass Morgan Danny umgebracht hat? Stellen Sie deswegen diese ganzen Fragen?»
    «Nein.» Das war Ashworth, der auf Nummer sicher ging und mit den alten Plattitüden aufwartete. «Wir müssen eben Fragen stellen und Schlüsse ziehen.» Vera hätte nichts dagegen gehabt, Karen auf Morgan loszulassen. Sie hätte dafür bezahlt, zuschauen zu dürfen, wie Karen den Mann in Stücke riss, ob er Danny jetzt umgebracht hatte oder nicht.
    «Hatte Ihr Sohn noch andere Freunde im Willows?», fragte sie.
    «Ich habe wirklich keine Ahnung, mit wem Danny befreundet war. Nicht mehr», sagte Karen. Ihre Stimme klang kühl und ruhig. «Als er noch auf der High School in Hexham war, da haben wir uns sehr nahegestanden. Wir waren selbst wie Freunde. Aber in letzter Zeit hat er nicht mehr viel mit mir geredet. Seit er studiert hat, schien es, als hätte er ein vollkommen anderes Leben angefangen. Dass er sich mit Morgan getroffen hat, weiß ich nur, weil ich die beiden auf der Arbeit zusammen gesehen habe. Wahrscheinlich war es ganz natürlich, dass er sich von uns gelöst hat, als er von zu Hause ausgezogen ist. Aber er war unser einziges Kind, und ich konnte das Gefühl nicht ertragen, dass wir in seinem Leben keinen Platz mehr haben. Und jetzt hat er uns für immer verlassen. Wir werden nie mehr die Möglichkeit haben, das wieder ins Lot zu bringen.» Sie fing an zu weinen.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel Vierundzwanzig
    Heute war Spielgruppe, und die Sonne schien so warm, dass Connie Alice zu Fuß zum Gemeindesaal brachte. Der Klatsch unter den auf dem Bürgersteig versammelten Frauen drehte sich ausschließlich um Jenny Listers Tod, was eine angenehme Abwechslung zu den üblichen boshaften Bemerkungen über Connie und Elias Jones darstellte. Weil Connie früher mit dem Mordopfer zusammengearbeitet hatte, wurde sie, während alle darauf warteten, dass die Türen sich öffneten, in die Unterhaltung mit einbezogen. Zunächst kamen nur kurze, zaghafte Fragen, aber nach ein paar Minuten war Connie plötzlich von einem Haufen aufgeregter junger Frauen umringt. «Was, glauben Sie, ist passiert? In den Zeitungen steht ja nur so allgemeines Zeug. Was hat die Polizei Ihnen gesagt?» Connie kam sich wie ein Flittchen vor, aber sie lieferte ihnen, was sie haben wollten, kleine Auskunftshäppchen über Jenny und ihre Arbeit im Sozialamt. Als der Gemeindesaal geöffnet wurde, hingen sie ihr an den Lippen, und niemand drängelte wie sonst ins Gebäude.
    Drinnen saß Veronica Eliot mit Klemmbrett und Füller an einem kleinen Tisch und nahm die Anmeldungen für das kommende Halbjahr entgegen. Ihre Lippen leuchteten, und sie sah tadellos aus in ihrer schwarzen Leinenbluse, deren Kragen so steif gebügelt war, dass Connie sich wunderte, dass er seiner Trägerin noch nicht den Nacken aufgeschlitzt hatte. Connie reihte sich in die Schlange ein. Als es hier kaum noch auszuhalten gewesen war, hatte sie daran gedacht, Alice anderswo zur Vorschule zu schicken oder ihren Exmann so lange zu nerven, bis er eine private Vorschule bezahlte, aber im September sollte Alice auf die Grundschule kommen, und es wäre verrückt, sie nur für ein Halbjahr umzumelden.
    Als sie an der Reihe war, fühlte sie sich im ersten Moment peinlich berührt. Sie ging davon aus, dass Veronica nicht wollte, dass sie ihr gemeinsames Mittagessen erwähnte. Denn wie sollte Veronica den anderen Müttern

Weitere Kostenlose Bücher